© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Mit Raffinerien aus der Preiskrise
Energiemarkt: Der russische Staatskonzern Rosneft plant eine neue Ölpipeline nach Deutschland
Thomas Fasbender

Wer ist die größte deutsche Kraftstoffanbieter? Aral? Nein, die derzeit 2.335 Tankstellen mit dem blauen Zeichen sind seit 15 Jahren Verkaufsstellen des britischen BP-Konzerns, der seinen Namen in Deutschland tilgte und mit dem deutschen Traditionsnamen auf Kundenfang geht. Der DDR-Monopolist Minol wurde schon 1993 an den französischen Elf-Konzern verkauft. Zehn Jahre später begann die Umflaggung auf Total. Daher ist Raiffeisen mit 675 Stationen der größte deutsche Anbieter.

Eigene Tankstellen hat Rosneft, die staatliche russische Ölgesellschaft, hierzulande noch nicht, Deutschland ist aber dennoch ein strategischer Markt. Drei der sechs Raffinerie-Beteiligungen, die Rosneft außerhalb Rußlands unterhält, liegen in Deutschland: PCK in Schwedt, MiRO in Karlsruhe sowie Bayernoil. An PCK ist Rosneft seit Jahresbeginn mehrheitlich beteiligt; an den süddeutschen Ölverarbeitern nach einem Aktientausch mit BP zu je einem Viertel; die bis 2016 bestehende Beteiligung an der Ruhr-Öl wurde im Zuge der Transaktion aufgelöst.

Die jetzt erfolgte Gründung der Rosneft Deutschland GmbH mit Sitz in Berlin markiert den Einstieg des russischen Konzerns in den deutschen Downstream-Markt. Die neue Tochtergesellschaft übernimmt den Handel mit den Produkten der Raffinerie-Beteiligungen; in Zeiten anhaltender niedriger Erdölpreise ist der Ausbau der Wertschöpfung ein wirtschaftliches Muß. Mit den Beteiligungen, die zwölf Prozent der deutschen Raffineriekapazitäten ausmachen, ist Rosneft hierzulande stark positioniert und steht an dritter Stelle des Wettbewerbs.

Die damit verbundenen Investitionen verkündete Rosneft-Chef Igor Setschin am Freitag vergangener Woche: 300 Millionen Euro im laufenden Programm und weitere 300 Millionen in der folgenden Ausbaustufe. Als Zahl der durch Rosneft in Deutschland bereitgestellten Arbeitsplätze nannte Setschin 5.000, das Steueraufkommen setzte er im laufenden Jahr mit 1,8 Milliarden Euro an. Anlaß seines Auftritts vor der internationalen Presse war die Eröffnung des Berliner Kontaktbüros. Neben der Gründung der Tochtergesellschaft unterstreicht dieser Schritt den Stellenwert des deutschen Rosneft-Engagements.

Auch als Lieferant ist das russische Unternehmen in Deutschland kräftig aufgestellt. Laut Setschin sichert die Gesellschaft ein Viertel des deutschen Rohölbedarfs. Um so größer ist das Interesse, die deutschen Beteiligungen auch mit russischem Rohstoff zu beliefern. Möglich ist das derzeit nur in der nördlichsten der drei Raffinerien, PCK Schwedt. Dort quert die noch zu DDR-Zeiten gebaute Erdöl-Pipeline „Druschba“ (Freundschaft) die deutsch-polnische Grenze. Die süddeutschen Standorte sind über die Transalpine Ölleitung (TAL) mit dem norditalienischen Adriahafen Triest verbunden, wo international eingekauftes Öl angelandet und nach Norden gepumpt wird.

„Wir haben alle Partner, die wir brauchen“

Um auch MiRO und Bayernoil mit russischem Öl zu versorgen, lobbyiert Rosneft um die Anbindung dieser Raffinerien an die Südschiene der gewaltigen Druschba-Pipeline, die heute in Kralup an der Moldau (Kralupy) nördlich von Prag endet. Dabei existiert schon seit 1996 eine Ölleitung von dort ins oberbayerische Vohburg. Die wird allerdings von der tschechischen Mero betrieben. Diese pumpt Öl, das über die TAL-Pipeline aus Triest nach Bayern kommt, weiter nach Nordosten. Ziel der Mero-Leitung war es, die Tschechei von russischem Erdöl unabhängiger zu machen.

Nun würde Rosneft die Mero-Pipeline gern im sogenannten Reversbetrieb zur Durchleitung russischen Erdöls nach Süddeutschland nutzen. Noch allerdings, so Setschin, scheitert das an den fehlenden Genehmigungen. Gespräche am Rande der Pressekonferenz bestätigten, daß man dem Rosneft-Vorhaben in der EU wie derzeit allen russisch-europäischen Energiekooperationen mit politischem Mißtrauen begegnet.

Auf die Technologie-Sanktionen angesprochen, meinte Setschin, die russischen Unternehmen hätten rasch Wege gefunden, deren Folgen zu kompensieren: „Die Welt ist multizentrisch, und wir haben alle Partner, die wir brauchen.“ Als Beispiel für funktionierende Kooperationen, die auch unter den Sanktionen nicht litten, verwies er auf ein aktuelles Explorationsprojekt im Schwarzen Meer, das gemeinsam von Rosneft und der italienischen Eni getragen werde.

Setschin sprach sich dennoch mit Nachdruck gegen Sanktionen aus und nannte es einen Beleg des Versagens, wenn Politiker nicht in der Lage seien, politische Konflikte auch politisch zu lösen, und die Wirtschaft für ihr Unvermögen haftbar machten. Den seit 2014 aufgelaufenen Schaden aus den gegenseitigen Sanktionen schätzte er auf einen hohen zweistelligen, wenn nicht gar dreistelligen Dollarmilliarden-Betrag.

Dennoch verbessert sich das wirtschaftliche Umfeld spürbar. Daran erinnerte Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. In den ersten zwei Monaten 2017 hat der deutsch-russische Handel erstmals seit 2014 wieder zugelegt. Der Import aus Rußland lag um 38 Prozent über dem des Vorjahreszeitraums, der Export nach Rußland um 36 Prozent.

Schließlich kommentierte Setschin die Ölförderbegrenzung durch Rußland, die Opec-Staaten und andere Länder zum Zweck der Preisanhebung. Demnach können überhaupt nur drei Spieler den Preis wirksam beeinflussen: Saudi-Arabien, Rußland und die USA, die seit dem Siegeszug des Frackings wieder zu den führenden Anbietern gehören. Um so wichtiger sei die Abstimmung zwischen Rußland und Saudi-Arabien. Die Energieminister der beiden Länder sprachen sich kürzlich für die Verlängerung der seit Jahresbeginn geltenden Begrenzung bis März 2018 aus. Rußland hat ein nachhaltiges Interesse daran, daß der Preis für ein Faß Rohöl nicht dauerhaft unter 50 US-Dollar fällt. Dabei war man in Moskau anfangs optimistischer gewesen, hatte den Preis schon in der Gegend von 60 Dollar verortet. Sollte die Begrenzung entfallen, dann stehen Rußland schwere Tage ins Haus.