© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/17 / 02. Juni 2017

Investor George Soros setzt auf einen fallenden US-Aktienmarkt
Unklare Strategie
Thomas Kirchner

Eine Milliarde soll George Soros verloren haben, als er nach Donald Trumps Wahlsieg auf fallende Aktienkurse setzte. Den Verlust wolle die Investorenlegende jetzt wieder ausgleichen, wird berichtet, und zwar mit der gleichen Strategie: fallende Kurse der Indexfonds SPDR S&P 500 und iShares Russell 2000, wobei letzterer kleinere US-Firmen abbildet. Noch im Januar verkündete Soros auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum, Aktienmärkte weltweit würden wegen der Unsicherheit um die US-Politik fallen: Trump werde versagen.

Mit beiden Einschätzungen lag er bisher daneben. Natürlich gibt es permanente Pessimisten, die einen Crash kommen sehen. Diese Leute verdienen mehr durch ihre Bücher als mit Investitionen. Fonds, die von Crashpropheten verwaltet werden, fallen jedes Jahr durch doppelstellige Verluste auf. Aber auch andere gestandene Investoren, die sich nicht durch ihre politische Gesinnung beeinflussen lassen, stehen den derzeitigen Aktienkursen skeptisch gegenüber.

Ray Dalio, Gründer des 102 Milliarden Dollar schweren Hedgefonds Bridgewater Associates, mag Aktien für die nächsten zwei Jahre, auch wegen Trump. Längerfristig ist er jedoch „verängstigt“. Jeffrey Gundlach meint, US-Aktien würden schlechter abschneiden als die aufsteigender Schwellenländer. Crispin Odey, dessen 6,5-Milliarden-Dollar-Fonds voriges Jahr die Hälfte verlor, ist wegen der problematischen US-Automobilkredite und Zinserhöhungen negativ.

Es ist gut möglich, daß Soros die Lage ähnlich einschätzt und nur opportunistisch zur Kritik an Trump nutzt. Genausogut ist es möglich, daß er Aktienchancen positiv sieht. Denn die medial gemeldeten Wetten in Höhe von nominal 763 Millionen Dollar gehen aus den vierteljährlichen Berichten an die US-Wertpapieraufsicht SEC hervor, die nicht alle Informationen über die Portfolios von Hedgefonds enthalten: beispielsweise keine Leerverkäufe und nur begrenzt Derivate. Soros besitzt zwar Putoptionen, die steigen, wenn die genannten Indexfonds fallen, hält aber ingesamt 260 Wertpapiere im Gesamtwert von knapp fünf Milliarden Dollar, die fast alle von steigenden Kursen profitieren.

Vermutlich sind die Optionen nur Teil einer komplizierteren Strategie, mit der Soros die Idee Gundlachs umsetzt und mit nicht meldepflichtigen Instrumenten gleichzeitig auf Schwellenländer wettet. Nicht umsonst heißen sie „Hedge“-Fonds, halten also einen Teil ihres Vermögens in Absicherungsgeschäften. Dazu kommt, daß Leerverkäufe von Indexfonds hohe Kosten verursachen, weshalb Anleger wie Soros normalerweise anders auf fallende Aktienkurse setzen. Ohnehin geht es nur um einen Bruchteil seines Gesamtvermögens von rund 25 Milliarden. Solange sich Soros nicht öffentlich äußert, sollte man nicht allzu präzise Folgerungen über seine Absichten ziehen. Aber manchen Medien reicht es trotzdem für eine Schlagzeile.