© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/17 / 02. Juni 2017

Gemeinwohl ist keine Frage des bloßen Willens
Herausragende Vertreter aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen ehren den Dominikaner und Sozialethiker Wolfgang Ockenfels zum 70. Geburtstag
Felx Dirsch

In die ruhmreiche Traditionslinie der katholischen Soziallehre im Rheinland, zu der klangvolle Namen wie der Gesellschaftslehrer Franz Hitze, der christliche Sozialwissenschaftler und Erzbischof Joseph Höffner und der Bonner Sozialethiker Lothar Roos zu zählen sind, gehört der Dominikaner, Theologe, Sozialwissenschaftler und Publizist Wolfgang Ockenfels. Seit Jahren ist er auch Autor dieser Zeitung. 

Besonderes Gehör verschafft er sich als Leiter des Instituts für Gesellschaftspolitik, das die Zeitschrift Die Neue Ordnung herausgibt und heute seinen Sitz in Bonn hat. Diese Einrichtung gilt als konservative Orchidee in einem überwiegend progressiv eingestellten Orden, dessen berühmtester Sohn, der heilige Thomas von Aquin, in der Gegenwart wohl kaum mehr in diese Kommunität einträte. In letzter Zeit kam Ockenfels besonders dadurch ins Gespräch, daß er die desaströsen Folgen der Merkelschen Flüchtlingspolitik in aller Offenheit thematisierte. 

Abweichungen von der Linie der Bischofskonferenz

Die Unterschiede zur Linie der Deutschen Bischofskonferenz sind mit Händen zu greifen. Manch vermeintlich „konservativ-liberale“, nach Aufmerksamkeit gierende Denunzianten attackieren ihn daher. Man darf hoffen, daß die bevorstehende Übergabe der Leitung des Instituts für Gesellschaftspolitik in die Hände Wolfgang H. Spindlers gelingen wird, dessen Forschungen über das Werk Carl Schmitts und Hans Barions weithin Anerkennung finden.

Angesichts der Lebensleistung Ockenfels’ ist es alles andere als verwunderlich, daß an der Festgabe hochkarätige Beiträger mitwirken. Die Schrift ist in drei Teile gegliedert: Dem ersten Abschnitt („Gemeinwohl, Naturrecht, Staat“) folgen Aufsätze über das christliche Profil der Wirtschafts- und Sozialordnung. Der abschließende dritte Teil erörtert den Bereich über „soziale Kommunikation und christliche Kultur“. 24 Autoren ehren den profilierten Wissenschaftler.

Von den Verfassern des ersten Abschnitts sind die namhaften Staatsrechtslehrer Paul Kirchhof, Josef Isensee, Christian Hillgruber und Arnd Uhle zu nennen. Unter den allesamt lesenswerten Essays ist derjenige des Juristen Horst Ehmann hervorzuheben. Er macht das aristotelisch-thomasische Naturrechtsverständnis zum Gegenstand einer ebenso scharfsinnigen wie konzentrierten Abhandlung. Dieses Thema zählt zu den bevorzugten der Neuen Ordnung, worauf schon der Titel anspielt. Ehmanns Darlegungen zeigen, wie detailgenau Thomas menschliches und göttliches Recht zuerst bestimmt und schließlich (bei aller Verbundenheit) voneinander differenziert. Die hohe Kunst der mittelalterlichen Ordo-Philosophie wird so in ihrer bleibend gültigen Exzellenz herausgearbeitet. Weiter werden zentrale Prinzipien der katholischen Soziallehre wie Gemeinwohl, Personalität und Subsidiarität dargestellt.

Von der Ordo-Philosophie führt durchaus ein Weg zum Ordo-Liberalismus, wenn auch kein direkter. So belegt die Sozialethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer die Konvergenzen der Freiburger Schule und der katholischen Soziallehre am Beispiel des fruchtbaren Wirkens Kardinal Höffners. Der Ökonom Joachim Starbatty äußert sich weiter zu den Möglichkeiten, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaft zu rücken.

Im abschließenden Teil ist auf den Beitrag des FAZ-Redakteurs Philip Plickert hinzuweisen, der den Widerstand Ockenfels’, der zeitweise hauptberuflich als Journalist arbeitete, gegen den omnipräsenten politisch-korrekten Tugendterror herausstellt. Ein Schriftenverzeichnis des sehr produktiven Autors Ockenfels sowie das obligatorische Autoren- und Personenverzeichnis runden den Band ab.

Elmar Nass, Wolfgang Spindler, Johannes Zabel (Hrsg.): Kultur des Gemeinwohls. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels OP. Paulinus-Verlag, Trier 2017, gebunden, 488 Seiten, 39,90 Euro