© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/17 / 09. Juni 2017

Weniger Mops, mehr Kettenhund
SPD: Mit der Ämterrochade verbindet sich die Hoffnung nach dem langersehnten Stimmungsumschwung / Zaghafte Korrektur bei doppelter Staatsbürgerschaft
Paul Rosen

Was die SPD noch kann ist Personal. Ob ein Hausmeisterposten in der Bundestagsverwaltung frei wird oder ein Kabinettsposten vakant zu werden droht, stets läßt die Order vom SPD-Parteivorstand zur Nachbesetzung nicht lange auf sich warten. Mit der jüngsten Rochade im Bundeskabinett und in der Parteiführung verbindet sich noch mehr. Die Sozialdemokraten wollen einen kleinen Rechtsschwenk unternehmen, damit von ihrer Stammklientel nicht zu große Teile zur AfD abwandern.  

Der gesundheitliche Schicksalsschlag, der den mecklenburg-vorpommerschen Ministerpräsidenten Erwin Sellering zum Rücktritt zwang, wurde von Parteichef Martin Schulz in einer Blitzaktion zur Umgruppierung genutzt. Daß Familienministerin Manuela Schwesig in ihr Heimatland wechselt und Nachfolgerin von Sellering werden soll, ist nicht wirklich überraschend. Die SPD hat in dem Küstenland keine hinreichend qualifizierten Kräfte. 

Organisatorisches Chaos an der Spitze

Zugleich ist der Weggang von Schwesig auch ein politisches Signal: Wie kaum jemand im Kabinett stand sie für den „Kampf gegen Rechts“, für Genderisierung, Homo-Ehe und den Niedergang der Familie. Wenn der Bonner Staatsrechtler Klaus Gärditz den grundgesetzlichen Auftrag zum Schutz von Ehe und Familie in der Praxis als „Leerformel ohne Anwendungsbereich“ bezeichnet hatte, dann hat diese Entwicklung auch sehr viel mit Schwesig zu tun. Akzente, die traditionelle SPD-Wähler in die Flucht treiben, setzte Schwesig reichlich: So besuchte sie im Rahmen einer „Sommerreise“ nicht etwa Durchschnittsfamilien, sondern eine Ausstiegsstelle für Prostituierte im Nürnberger Rotlichtviertel. Fährt Schwesig nach Mecklenburg Vorpommmern, wird sie bei Terminen wie dem Musikfestival „gegen Rechts“ in Jarmel gesehen, um, wie sie sagt, „Flagge zu zeigen“. Flagge zeigen kann Schwesig jetzt in Mecklenburg-Vorpommern häufiger, wobei sie allerdings Gefahr läuft, die Mehrheit bei der nächsten Wahl zu verlieren. 

Von der neuen Familienministerin Katarina Barley, die bisher SPD-Generalsekretärin war, wird eine stillere Amtsführung erwartet. Als Generalsekretärin war sie eine glatte Fehlbesetzung, was dazu führte, daß ihre Vorgängerin Yasmin Fahimi heute in milderem Licht erscheint. Dabei war schon Fahimi mit der Führung des Parteiapparats überfordert gewesen. Barley setzte in der SPD-Zentrale nicht einen Akzent, sondern schwamm unauffällig im rot-grünen Mainstream von Politik und Presse in Berlin mit. 

Generalsekretäre müssen Ausputzer für die Vorsitzenden sein, ihr Charakter muß bissigen Wachhunden ähneln. Und so wie niemand einen Mops als Kettenhund einsetzen würde, war die zu ruhige Frau Barley eine komplette Fehlbesetzung. Zu schaffen machte ihr aber auch, daß mit Markus Engels ein Schulz-Vertrauter den ersten Zugang zum Parteichef hat, während sie auf Termine warten mußte. Folge war und ist organisatorisches Chaos.   

Ob der neue Generalsekretär Hubertus Heil die Mannschaft auf Trab bringen und den im Schatten von drei Wahlniederlagen (Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) dahindümpelnden Wahlkampf nach Verpuffen des Schulz-Effekts auf Touren bringen kann, ist eine andere Frage. Heil steht anders als Barley für Industrie und Arbeitsplätze: Er weiß noch um die Bedeutung eines Kohlekraftwerks für die Stabilität des Stromnetzes, Verbrennungsmotoren dürften mit dem aus dem Autoland Niedersachsen stammenden Heil nicht so schnell zu verbieten sein. In der Ausländerpolitik deutet sich ebenfalls ein Wandel an: Die von der SPD lange wie eine Monstranz behandelte doppelte Staatsbürgerschaft könnte eingeschränkt werden. Auch das ist ein klares Zeichen an traditionelle SPD-Wähler. 

Heils Hypothek ist klar zu beziffern: Er hatte den Posten des Generalsekretärs bereits bei der haushoch verlorenen  Bundestagswahl 2009 inne, von der sich die Partei nicht wieder erholte. Personal mag die SPD können, ob es zu mehr als den augenblicklichen 25 Prozent reicht, muß sie am 24. September zeigen.