© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/17 / 09. Juni 2017

Allein gegen alle
Weltklimaabkommen: Präsident Trump wagt den großen Schritt / Internationale Empörung
Thorsten Brückner

Es war eine Inszenierung, wie Donald Trump sie mag. Im Rosengarten des Weißen Hauses trat zunächst Vizepräsident Mike Pence ans Rednerpult. Gewissermaßen als Anmoderator für den Präsidenten. Der hatte zuvor tagelang die Journalisten des Landes hingehalten, die immer wieder neue Quellen im Weißen Haus anzapften, um zu erfahren, wie denn dessen Entscheidung zum Pariser Klimaschutzabkommen lauten werde.

Seit Wochen herrscht Krieg im Weißen Haus

Seit Wochen balgten sich zwei Lager um die Gunst des Präsidenten in der Frage. Auf der einen Seite Trump-Berater Steve Bannon und der Leiter der US-Umweltschutzbehörde, Scott Pruitt, die beide den Ausstieg wollen. Auf der anderen Seite Außenminister Rex Tillerson, der um die diplomatischen Folgen eines Ausstiegs besorgt ist. Dabei erhielt er Unterstützung von Trumps Tochter Ivanka und dem Schwiergersohn des Präsidenten, Jared Kushner. Am Ende triumphierten Pruitt und Bannon. Er wolle ein neues Abkommen aushandeln, das gegenüber der amerikanischen Wirtschaft fair sei, so Trump. „Ich wurde gewählt, die Bürger von Pittsburgh zu vertreten, nicht die von Paris.“ Gleichzeitig wolle er dafür sorgen, daß Amerika führend beim Klimaschutz bleibe. Trump beklagte in seiner Rede auch, daß Länder wie China noch jahrelang große Mengen CO2 ausstoßen dürfen – auf Kosten der entwickelten Länder. Indien etwa lasse sich die Emissionsreduktion mit Entwicklungshilfegeldern bezahlen.

Nach Konflikten mit der eigenen Partei beim Thema Gesundheitsversicherung überwog diesmal das Lob für Trump. „Ich klatsche dem Präsidenten Beifall dafür, daß er amerikanische Jobs und Energie an erste Stelle setzt und sich aus dem Pariser Abkommen zurückzieht“, twitterte Trumps ehemaliger republikanischer Konkurrent, Ted Cruz. Auch Senator Rand Paul verteidigte die Entscheidung. Paris wäre ein „Desaster für amerikanische Jobs“ gewesen. Zudem gab er zu bedenken: „Die großen Klimawandel der Geschichte geschahen alle vor der industriellen Revolution.“

Allerdings gibt es auch in den USA Gegenbewegungen. Eine Gruppe um den früheren New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, der Gouverneure und Bürgermeister größerer Städte angehören, will das Abkommen in Eigenregie fortsetzen. „Wir werden alles tun, was Amerika getan hätte, wenn es sich an das Abkommen halten würde“, versprach Bloomberg. Der Gruppe gehört unter anderem der Gouverneur des größten US-Bundesstaats Kalifornien, Jerry Brown, und die Bürgermeister von Los Angeles, New York, Chicago, Houston, Boston, Seattle und Philadelphia an.

In Ex-Präsident Barack Obama fand Bloombergs Initiative bereits einen prominenten Unterstützer. „Auch in Abwesenheit amerikanischer Führung; obgleich diese Administration sich einer kleinen Anzahl Nationen anschließt, die die Zukunft zurückweisen, bin ich zuversichtlich, daß unsere Bundesstaaten, Städte und Firmen noch mehr tun, um den Weg vorzugeben und so für zukünftige Generationen den einen Planeten schützen, den wir haben“, schrieb er in einer Stellungnahme.

Das Abkommen ist eine 2015 in Paris geschlossene Vereinbarung, mit der sich 195 Staaten verpflichtet haben, die Erwärmung der Atmosphäre durch Verringerung von CO2-Emissionen auf unter zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen.

Studien bestätigen Trumps Furcht vor Job-Verlusten

Die Aufkündigung fällt Trump auch deswegen so leicht, weil sein Amtsvorgänger Barack Obama das Abkommen nicht vom Senat ratifizieren ließ, es somit für die USA nicht bindend ist. Obama hätte im republikanisch dominierten Kongreß dafür wohl auch keine Mehrheit gefunden. Die Ziele, die für jedes Land unterschiedlich sind, legte die jeweilige Regierung selbst fest. Einen Strafmechanismus kennt der Vertrag nicht. Bis 2025 hätten die USA demnach ihre Treibhausemissionen um 26 bis 28 Prozent senken müssen.

Trump sieht darin eine Gefahr für Millionen Arbeitsplätze. Nach Berechnungen der US-Handelskammer wären die Staaten Michigan, Missouri, Pennsylvania und Ohio überproportional davon betroffen. Gerade die Staaten, die Trump 2016 den Sieg brachten. Eine Studie der Heritage-Stiftung kam zu dem Schluß, daß durch das Abkommen bis 2035 etwa 400.000 Arbeitsplätze zerstört werden könnten. Weitergehende Schätzungen gehen gar von bis zu sechs Millionen verlorener Jobs aus. Besonders Mittelständler wären von den Auflagen und Regulierungen betroffen. Großunternehmen befürworten dagegen mehrheitlich das Abkommen und zeigten sich entsetzt über Trumps Worte: „Wir glauben, daß der Klimawandel eine Realität ist, und fühlen uns weiterhin verpflichtet, Treibhausgase in unseren Autos und Fabriken zu reduzieren“, kommentierte Bill Ford, Vorsitzender der Ford-Motorenwerke, den Ausstieg. Die internationalen Reaktionen schwanken zwischen Enttäuschung und Hysterie. Trumps Intimfeind, der frühere mexikanische Präsident Vicente Fox, warf ihm vor, damit der Welt ein „dunkles Erbe“ zu hinterlassen, nur um „seine Gier zu befriedigen“. „Er erklärt dem Planeten den Krieg“, so Fox.

Auch sonst waren die Reaktionen fast einhellig negativ. Trump habe einen „Fehler für unsere Zukunft“ begangen, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer Fernsehansprache. Und Trumps Wunsch, das Abkommen neu auszuhandeln, erteilte er eine Absage: „Wir werden nicht einen weniger ehrgeizigen Vertrag neu verhandeln.“ Beim Klima gebe es „keinen Plan B, weil es keinen Planeten B“ gebe. Amerikanische Wissenschaftler, die von Trumps Entscheidung enttäuscht seien, ermunterte er zur Auswanderung nach Europa: „Sie werden in Frankreich ein zweites Vaterland finden.“

China als größter Profiteur des Abkommens tat kund, seinen Verpflichtungen treu bleiben zu wollen. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte, er halte viel von dem Abkommen und sehe keine Alternative dazu. Zuvor hatten sich bereits die Vereinten Nationen auf Twitter geäußert. „Der Klimawandel ist nicht zu leugnen. Der Klimawandel ist nicht zu stoppen. Klimalösungen bieten Möglichkeiten, die unvergleichlich sind.“ Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, machte sich über Trump lustig: „Die Amerikaner können überhaupt nicht aussteigen. Herr Trump hat sich den Dossiers gar nicht nahe genug genähert, um sie vollumfänglich zu begreifen.“ Die USA sind das dritte Land, das nicht Teil des Abkommens ist. Auch Syrien und Nicaragua haben es nicht unterzeichnet.