© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/17 / 09. Juni 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Pfingstmontag, Gespräch beim Feiertagsbrunch über den Müßiggang und das Nichtstun. Ein Bekannter sagt, ihm sei so etwas fremd, selbst in seiner Freizeit sei er immer „beschäftigt“. Er treffe sich mit Freunden, gehe zum Sport oder nutze diverse Angebote der Unterhaltungsindustrie, ganz zu schweigen von den digitalen Verlockungen. Das Smartphone sei ihm zum Alter ego geworden. Wirklich freie Zeit, in der er ganz allein auf sich zurückgeworfen sei, ohne irgendwie „tätig“ zu sein, kenne er jedenfalls nicht. Alle anderen in der Runde stimmen ihm zu – nur ich bekenne mich zum Müßiggang, spreche von Fremdbestimmung und plädiere für das Streben nach innerer Daseinsfreiheit. Die meisten Menschen, versuche ich zu erklären, tauschten das Hamsterrad ihrer Arbeitswelt gegen ein anderes in ihrer Freizeit. Wir diskutieren das lebhaft. Ergebnis: Niemand versteht, wovon ich rede.

„Alle Welt arbeitet, um endlich Muße zu finden, doch gibt es Genießer, die mit dem Ziel anfangen.“ (Ernst Jünger: „Rivarol“, Sämtliche Werke, Band 17)

Nach dem Brunch pflege ich ein, zwei Stündchen den Müßiggang und denke über das Nichtstun nach. Mir fällt dazu ein Dialog des Humorgroßmeisters Loriot ein, der zeigt, zu welchen Verwerfungen das Nichtstun führen kann – insonderheit in einer Paarbeziehung. Der Sketch fängt mit der vermeintlich harmlosen Frage einer Frau an ihren Mann an, der im Wohnzimmer in seinem Sessel sitzt, den Kopf auf eine Hand gestützt, und teilnahmslos in die Luft schaut:

Sie: Was machst du da? 

Er: Nichts. 

Sie: Nichts? Wieso nichts?

Er: Ich mache nichts.

Sie: Gar nichts? 

Er: Nein. 

Sie: Überhaupt nichts?

Er: Nein, ich sitze hier.

Sie: Du sitzt da?

Er Ja.

Sie: Aber irgendwas machst du doch?

Er: Nein.

Sie: Denkst du irgendwas?

Er: Nichts Besonderes.

Die Szene stammt aus dem Klassiker „Der Feierabend“, in dem die Situation im weiteren Verlauf eskaliert. Loriot mußte sie nicht „erfinden“, er konnte einfach dem Leben zuhören, um zu wissen: Nichtstun erzeugt Unverständnis.

In seinem Essayband „Plädoyer des Müßiggangs“ schreibt der spanische Philosoph Miguel de Unamuno (1864–1936): „Eine gewisse Anzahl von Müßiggängern ist notwendig zur Entwicklung einer höheren Kultur.“