© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Frankreich-Wahl
Alle Konkurrenten überflügelt
Karlheinz Weißmann

Diejenigen, die den Triumph der neuen Partei des französischen Präsidenten bei den Parlamentswahlen kommentieren, scheuen die Superlative nicht: „Macronmania“ oder sogar „Macronaparte“? Tatsächlich hat der Erfolg von „La République en marche“ den Charakter eines Erdrutsches: die Sozialisten beinahe eliminiert, die Bürgerlichen massiv geschwächt, die Kleinen, unter Einschluß der Grünen, chancenlos, die Flügelparteien auf der Linken wie der Rechten mit einem stabilen Sockel, aber mehr auch nicht. Zudem spricht vieles dafür, daß sich der Siegeszug der Partei Macrons auch bei den Stichwahlen fortsetzt und ihr eine überwältigende Mehrzahl der Sitze in der Nationalversammlung zufallen könnte.

Was das für die Fünfte Republik bedeutet, hat sich schon nach der Präsidentschaftswahl abgezeichnet: Die bisherige Machtteilung zwischen linker Mitte und rechter Mitte ist aufgehoben. Die Erwartung, daß radikalere Kräfte sich durchsetzen könnten, hat getrogen. Diejenigen, die in Macron lediglich die Marionette der „Kaste“ sehen, finden offenbar wenig Gehör. Allerdings gibt es in den Siegesmeldungen des präsidialen Lagers einen leichten Mißton. Den bestimmt die außergewöhnlich niedrige Wahlbeteiligung. Man sollte diesen Faktor nicht überbewerten, aber er spricht doch dafür, daß ein erheblicher Teil der Bevölkerung dem neuen Mann mit einer Reserve gegenübersteht.

Das bleibt die Grenze, die Macron gezogen ist, wenn er versucht, die „bonapartistischen“ Möglichkeiten der französischen Verfassung zu nutzen, die es einem starken Präsidenten erlauben, an den Parteien und der Legislative vorbei direkt an die Basis zu appellieren. Seinen besonderen Reiz hat das in Krisenzeiten, wenn der Überdruß am Establishment und den Machtverhältnissen wächst, ohne daß das System schon als solches in Frage steht. Dann wirkt sich aus, was Max Weber als plebiszitäre Tendenz aller modernen Verfassungen identifiziert hat. Nach Auffassung des großen Soziologen neigen alle Massendemokratien ab einem bestimmten Entwicklungsgrad dazu, traditionelle Parteibindung, Programmatik und Sachargumente zu entwerten. Es geht vielmehr und ausschließlich um das Personal an der Spitze, um die Frage, ob derjenige, der sich anbietet, die Führung zu übernehmen, Vertrauen weckt oder nicht. Die wurde von den Franzosen für den Konservativen Fillon wie für den Kommunisten Mélenchon bereits mit „Nein“ beantwortet; für die Nationalistin Marine Le Pen blieb ein „Kaum“. Dagegen hat sich ein ausschlaggebender Teil von ihnen mit einem deutlichen „Ja“ hinter Macron gestellt. Der konnte alle seine Konkurrenten überflügeln im Hinblick auf Smartness, Öffentlichkeitsarbeit und die richtige Mischung aus Versprechungen und Appellen an den Gemeingeist. – Sonst nennt man das „Populismus“.