© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gute Nacht, Freunde
Christian Vollradt

Gerhard Schmid hat die Nase voll. Seit vier Jahren hat er als Vorsitzender der „Vereinigung der Freunde der CSU in Berlin“ ehrenamtlich für die christsoziale Sache gewirkt, organisierte Veranstaltungen und lud zahlreiche Referenten ein; doch nun ist Schluß, der pensionierte Schulrat hat mit der Einladung zu den zwei nächsten Diskussionsabenden seine Rücktrittserklärung verschickt.

Da die CSU – ungeachtet ihrer bundespolitischen Ansprüche – organisatorisch auf Bayern beschränkt ist, gilt die Vereinigung als weiß-blaue Oase in der preußischen Wüste. Rund 350 Mitglieder gehören ihr an, sie ist parteioffiziell anerkannt und darf daher das CSU-Emblem im Briefkopf führen. Anläßlich der Wiederwahl Schmids vor zwei Jahren hieß es wohlwollend im Parteiorgan Bayernkurier: „Die Vereinigung umfaßt alle 56 Bundestagsabgeordneten der CSU sowie CSU-Mitglieder in den Ministerien und der Bundestagsverwaltung“, ebenso viele „wertkonservativ eingestellte CDU-Mitglieder und Persönlichkeiten aus Berlin, die sich den Grundsätzen und der Politik der CSU sowie dem bayerischen Lebensgefühl verbunden fühlen.“ 

Zum bayerischen Lebensgefühl gehört traditionell das Wirtshaus, und so fühlt sich die Vereinigung der CSU-Freunde im Bierkeller der Bayerischen Vertretung (der „Botschaft“ der Staatsregierung) besonders wohl. Zum Stammtisch bei Bier und Brezn erscheinen hin und wieder sogar CSU-Vorsitzende. Mitglieder, die schon in Bonn dabei waren, erzählen noch gerne vom Auftritt des damaligen Parteichefs Theo Waigel als Nikolaus bei einer der legendären Weihnachtsfeiern des Freundeskreises, der zu seinen Jubiläen Bierkrüge mit Jahreszahlen herstellen läßt. Die Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt sitzt sogar im Vorstand der Vereinigung.

Schmid orientiert sich verbal gerne am CSU-Ahnherrn Franz Josef Strauß; ihm gehe es um eine „kritische Begleitung“ der aktuellen Politik, meint er im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Natürlich wurde die Stimmung bei den Stammtischen „heißer“ seit der Asylkrise im Herbst 2015. Strauß hätte so etwas sicherlich noch im Rahmen des „Vereins für deutliche Aussprache“ durchgehen lassen, heute gilt es selbst unter Christsozialen als unangemessen. Angefangen habe es, als er den Publizisten Hamed Abdel-Samad eingeladen hatte, berichtet Schmid. „Da hieß es dann, Islam-Kritik sei in der Landesvertretung unerwünscht, und so mußte ich einen anderen Veranstaltungsort suchen.“ Auf einmal sei besonders in den Reihen der CDU-Mitglieder aus Berlin gemosert worden, der Freundeskreis gerate immer mehr zu „einer halben AfD-Veranstaltung“, gar von „Unterwanderung“ war die Rede; „völlig aufgebauscht“, so Schmid: „Die hochkarätigen Referenten kamen ja trotzdem immer zu uns.“ Das Mißtrauen ist daher in seinen Augen völlig unangebracht.

Das gipfelte darin, daß ein christsozialer Bundestagsabgeordneter forderte, der Vorsitzende der CSU-Freunde solle alles, was er bei Veranstaltungen über die formale Begrüßung hinaus äußern werde, zuerst schriftlich der Landesgruppe vorlegen. Auf solche Zensur hat der Nicht-Berufspolitiker Schmid keine Lust.