© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

„Das ist Terrorismus“
Linksextreme Gewalt: Gegner des G20-Gipfels bekennen sich zu Brandanschlägen auf Bahnanlagen / Erneute Eskalation in Berlin
Peter Möller

Brennende Kabelschächte, zerstörte Autos und Pflastersteine gegen Polizisten: Deutschland erlebte am Wochenende und zum Wochenbeginn einen Ausbruch linksextremistischer Gewalt, der zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß gibt. Sicherheitsexperten sehen in den koordinierten Anschlägen auf Signalanlagen der Bahn an mehreren Orten in Deutschland sowie den bürgerkriegsähnlichen Zuständen in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain bereits einen Vorgeschmack darauf, was Deutschland und insbesondere Hamburg Anfang Juli während des G20-Gipfels der größten Wirtschaftsnationen in der Hansestadt droht. Seit Monaten machen Linksextremisten international gegen das Treffen der Staats- und Regierungschefs am 7. und 8. Juli mobil. Die Sicherheitsbehörden rechnen mit Tausenden gewalttätigen Linksextremisten, die aus ganz Deutschland und Europa nach Hamburg kommen werden, um die Stadt ins Chaos zu stürzen. Die Behörden wollen bis zu 17.000 Polizisten aus ganz Deutschland zum Schutz des Gipfels zusammenziehen.

Den Linksextremisten keine Munition mehr liefern

Die Anschläge auf zwölf Signalkabel in mehreren Bundesländern in der Nacht auf Montag passen gut zur Strategie der Gipfel-Gegner. Bereits in der Vergangenheit haben Linksextremisten immer wieder Signalanlagen durch Brandanschläge ausgeschaltet und damit wie am Montag den Zugverkehr massiv behindert. Entsprechende Angriffe auf Bahnanlagen wurden am Montag aus Niedersachsen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Bremen und Hamburg gemeldet. Den ganzen Tag über kam es in diesen Regionen und darüber hinaus zu Beeinträchtigungen des Zugverkehrs. Auf der linksextremistischen Internetseite Indymedia bezichtigten sich G20-Gegner der Taten, mit denen nach den Worten der Verfasser des entsprechenden Schreibens eine „kurze Unterbrechung der Reibungslosigkeit“ bewirkt werden sollte. Nach Einschätzung der Polizei passe der Text in das „Raster“ einschlägiger linksextremistischer Tätergruppen.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, geht davon aus, daß die Anschläge im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel stehen. „Das ist Terrorismus. Die Taten waren gut organisiert und koordiniert. Hier wird versucht, mit Gewalt die politische Stimmung zu beeinflussen“, sagte Wendt der JUNGEN FREIHEIT. Leider sei zu erwarten, daß es zu weiteren Attacken dieser oder anderer Art komme. „Die Linksextremisten befinden sich derzeit in einem Aufmerksamkeitswettlauf mit Islamisten. Von solchen Anschlägen auf neuralgische Verkehrspunkte, bei denen man Tausende Unbeteiligte in Geiselhaft nimmt, erhofft sich die Szene größere Aufmerksamkeit“, erläuterte Wendt. Zu verhindern seien solche Taten kaum. Sowohl die Bahn als auch die Polizei leisteten hier schon ihr Möglichstes. Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), verurteilte die Anschläge. „Solche sinnlosen Taten sind ein gemeingefährlicher Angriff auf uns alle“, sagte Mayer der JF. Sie müßten daher konsequent verfolgt und geahndet werden.

In Berlin, wo vor allem der S-Bahnverkehr von einem Anschlag auf einen Kabelschacht betroffen war, war bereits das Wochenende von schweren Angriffen von Linksextremisten auf die Polizei geprägt gewesen. In der Rigaer Straße in Friedrichshain hatten Gewalttäter im Umfeld mehrerer ehemals besetzter Häuser Polizisten mit Pflastersteinen angegriffen und dabei mehrere Beamte verletzt. Zudem setzten die Linksextremisten mehrere Autos in Brand und errichteten Barrikaden. Zuvor hatten die Linksextremisten die Straßenlaternen außer Gefecht gesetzt. Als ein Polizeihubschrauber über der Straße kreiste, um diese auszuleuchten, wurde der Pilot mit einem Laserpointer geblendet.

Die Situation in der Rigaer Straße, die als Zentrum der Linksextremisten in der Hauptstadt gilt, verschärft sich bereits seit Monaten. Der ehemalige Innensenator Frank Henkel (CDU) war im vergangenen Jahr während des Berliner Wahlkampfs mit dem Versuch einer harten Haltung gegen die Linksextremisten gescheitert. Seit mehreren Wochen nehmen die Übergriffe nun erneut zu. Sicherheitsexperten werten dies als Versuch, den rot-rot-grünen Senat herauszufordern. Vor allem in den Reihen von Linkspartei und Grünen gibt es immer wieder Politiker, die teilweise offen mit den Linksextremisten in der Rigaer Straße sympathisieren. Wie schwer sich die Berliner Politiker im Umgang mit den Gewalttätern tun, zeigt die Ankündigung des Baustadtrates des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), die betreffende Straße komplett zu asphaltieren, um den Linksextremisten keine Munition mehr für ihre Angriffe auf die Polizei zu liefern. Von Anwohnern mußte sich Schmidt indes aufklären lassen, daß es in der Rigaer Straße selbst kaum noch Pflastersteine gebe, sehr wohl aber in mehreren Nebenstraßen.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte unterdessen einen Dialog mit den Anwohnern an. Unter Leitung von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) werde der Senat mit Anwohnern und linken Aktivisten über die Veränderung der Stadt durch steigende Mieten sprechen. Gespräche mit Gewalttätern lehnte Geisel jedoch ausdrücklich ab. „Wir haben politische Aktivisten und Anwohner, mit denen wir sprechen, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite haben wir brutale Gangster“, sagte er.

Bild: Ausgebranntes Auto und Pflastersteine in der Rigaer Straße in Berlin: Wettlauf um Aufmerksamkeit