© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Tahler

In Berlin bahnt sich, mal wieder, ein fetter Skandal an. Zeitgleich mit der Bundestagswahl findet am 24. September ein Volksentscheid statt, bei dem die Bürger darüber bestimmen können, ob der innerstädtische Flughafen Tegel auch nach einer Inbetriebnahme des neuen Hauptstadtflughafens BER offen bleiben soll. Nach jetziger Sachlage muß Tegel dann schließen. Dagegen hatte eine Bürgerinitiative mehr als 200.000 Unterschriften gesammelt und damit den Volksentscheid erzwungen. Aber dürfen die Berliner wirklich die Zukunft des Flughafens Tegel bestimmen? Nein! Die rot-rot-grüne Regierungskoalition hat bereits verlauten lassen, an der Schließung auch dann festzuhalten, wenn sich eine Mehrheit für die Offenhaltung ausspricht. Genau danach sieht es laut Umfragen derzeit aus. Frech erklärte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider vorige Woche: „Unsere Aufgabe ist es nicht, einer sich abzeichnenden Mehrheitsmeinung zu folgen.“ Bleibt nur zu wünschen, daß es den Berliner Senat im Zuge eines erfolgreichen Volksentscheids und den nachfolgenden Turbulenzen hinwegfegt.

Es ist einer der berühmtesten Romananfänge der literarischen Moderne: „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ So beginnt „Der Prozeß“ von Franz Kafka. Ein perfekter Satz. Ende kommender Woche, am 30. Juni, öffnet im Berliner Martin-Gropius-Bau eine Ausstellung, die ganz diesem einen Roman gewidmet ist. Mehr als hundert Jahre nach seiner Entstehung – die Erstausgabe erschien postum 1925, ein Jahr nach Kafkas Tod – zeigt die Schau alle 171 erhaltenen Manuskriptblätter. Ergänzt wird die Ausstellung mit Fotografien aus der Sammlung des Verlegers Klaus Wagenbach sowie Vorführungen der Verfilmung von Orson Welles aus dem Jahre 1962 mit Anthony Perkins in der Hauptrolle als Josef K. Für Kafka-Liebhaber dürfte sich ein Ausstellungsbesuch lohnen.

Eine geschmacklose Entgleisung leisteten sich die Pressegören von der taz mit ihrer Schlagzeile zum Tod von Helmut Kohl. Zwar entschuldigte sich Chefredakteur Georg Löwisch dafür später („Das ging daneben“). Eindeutig besser jedoch wäre gewesen: Erst denken, dann drucken.