© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Deutsche Verleger lehnen besseren Datenschutz ab
Werbung: Die EU stößt mit ihren Plänen, die Verwertung von Internetverhalten einzuschränken, auf heftigen Widerstand
Christian Schreiber

Haben Sie sich schon mal gewundert, daß Sie in sozialen Netzwerken wie Facebook plötzlich Werbeanzeigen aus der Automobilbranche angezeigt bekommen haben, kurz nachdem sie vorher in einer Suchmaschine oder auf Herstellerseiten nach einem neuen Fahrzeug geschaut haben? Anbieter wie Google analysieren E-Mails und Internetkonsumverhalten, Facebook wertet unsere WhatsApp-Kontakte aus, und sogenannte „Tracker“ verfolgen jede Regung  im Netz und sogar Bewegungen durchs Einkaufszentrum.

Der Konsument ist längst gläsern geworden, und das Millionengeschäft mit den Daten boomt. Die EU-Kommission hat  kürzlich einen Entwurf zum Schutz der Privatsphäre vorgelegt. Diese „E-Privacy-Verordnung“ soll ab Mitte 2018 in Kraft treten und damit bisherige Richtlinien überarbeiten. Internetznutzer sollen künftig verstärkt darüber aufgeklärt werden müssen, welche Daten von ihnen gespeichert werden und was mit diesen geschieht. Bisher reichten einfache Nutzungseinwilligungserklärungen zu sogenannten „Cookies“ (Speicherprogramme) auf einer Internetseite.

Die Branche reagiert entsprechend aufgeschreckt. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) warnte bereits vor „einer fundamentalen Gefährdung der heutigen Informationsgesellschaft“. Reichweitenmessungen, Besuchsanalyse von Webseiten oder die Ausspielung digitaler Werbung bedürften dann einer explizite Einwilligung. Für BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr stellt die Verordnung „etablierte und von den Verbrauchern akzeptierte Geschäftsmodelle in Frage“ und „negiert fundamentale Prinzipien“ der Digitalen Wirtschaft. „Das Internet, wie wir es heute kennen, wird es damit nicht mehr geben.“

In die Phalanx der Kritiker stiegen auch die Verleger mit ein. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) appellieren in einem offenen Brief  an die Bundesregierung, sich in Brüssel „gegen drohende massive Eingriffe in die Finanzierungsmöglichkeiten digitaler Presseangebote zu wenden“. Der Vorschlag bedrohe die Geschäftsmodelle und vermutlich sogar die Existenz ungezählter europäischer Internetangebote, die auf Datenverarbeitung durch Drittanbieter  angewiesen seien. Die Verleger unterstützten zwar „das Ziel der Kommission, die digitale Wirtschaft zu bereinigen und das Vertrauen in die online genutzten Daten wiederherzustellen“, allerdings seien die vorgeschlagenen Regeln eine Gefahr für das digitale Geschäft mit Nachrichten.

Die Unternehmen befürchten, daß kaum noch Nutzer einem Datentransfer zustimmen. Aus Verlegersicht handelt es sich um einen Machtkampf zwischen europäischen und US-amerikanischen Konzernen. Die Einblendung personalisierter Werbung sei heute Industriestandard. US-Internetriesen wie Google würden von der angestrebten Regelung sogar noch profitieren und den europäischen Markt am Ende komplett einnehmen.