© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Umwelt
Öko mit Substanz
Volker Kempf

Der Trend zum Wegwerfprodukt hält an, und viele verdienen daran prächtig: Importeure, Großhandel, Einzelhandel – und nicht zuletzt Wolfgang Schäuble, der dabei immer 19 Prozent Umsatzsteuer einstreicht. Bei robusten Gebrauchtwaren geht der Fiskus hingegen leer aus. Auch die Bekleidungsindustrie macht glänzende Geschäfte. Ihre Moden wechseln ohnehin stetig. Dann darf es aber wenigstens ein ökologisches, voll kompostierbares Material sein. Der Textilhändler C&A macht nun mit einem T-Shirt Ernst, und dies zu einem gewöhnlichen Preis. Was ist aber besser: Ein langlebiges Produkt oder eines, das schnell weggeworfen wird, aber voll kompostiert werden kann? Die Verbraucher werden eine Antwort finden. Bemerkenswert ist an dem Kompost-Shirt nur eines: Man sieht es ihm nicht an, daß es ökologischen Ansprüchen genügen will.
Der Glaube an den Weltrettungsbeitrag durch Jute, Altpapier und Windräder schwindet.

Das war in den 1980er Jahren noch anders, als „Jute statt Plastik“ für 2,50 D-Mark demonstrativ als Einkaufstasche herumgetragen wurde oder Recyclingpapier mausgrau war. Wer die Welt retten wollte, demonstrierte dafür mit einem ästhetischen Opfer. Die Lage war schließlich ernst, die Miene ebenso. Windkraftanlagen wurden entwickelt und ganze Landschaften mit Windrotoren verschandelt. Alles hat eben seinen Preis. Dreißig Jahre später schwindet der Glaube an den Weltrettungsbeitrag durch Jute, graues Recyclingpapier und auch Windräder dahin. Warum dann noch ästhetische Opferbereitschaft demonstrieren? Damit dürfte nach Jute und mausgrauem Recyclingpapier auch die Windkraftmode bereits ihren Höhepunkt überschritten haben. Bleibt zu konstatieren, das Ökobewußtsein wurde zur Zeit seines Aufkommens gut sichtbar demonstriert. Heute geht es um die Substanz. Nicht zufällig wird mit ihr bei C&A geworben. Weltrettungsästhetik ist hingegen nicht mehr gefragt, sie gehört in ein deutsches Museum für das Zeitgeschehen.