© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Kein Leyens Club
Bundeswehr: Die Verteidigungsministerin steht vor den Trümmern ihrer Arbeit / Offenbar ist sie nur wegen der anstehenden Bundestagswahl noch im Amt / Bundeswehrverband äußert heftige Kritik
Peter Möller

Am Montag hatte Ursula von der Leyen (CDU) endlich mal wieder gute Nachrichten zu verkünden. Die Verteidigungsministerin war  ins baden-württembergische Laupheim gekommen, um persönlich den letzten neuen Hubschrauber vom Typ Airbus H145M in Empfang zu nehmen. Mit der Auslieferung der insgesamt fünfzehnten Maschine für das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr haben der Hersteller und das Verteidigungsministerium zur Abwechslung einmal ein positives Beispiel für ein Rüstungsprojekt abgeliefert. Das Projekt wurde nicht nur ungewöhnlich schnell, sondern zudem auch noch im Zeit- und Kostenrahmen abgewickelt. 

Für die Beschaffung von neuen Waffensystemen, die sich bei der Bundeswehr fast schon traditionell um Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte verzögern und dabei entsprechend teurer werden, kommt das einer kleinen Sensation gleich. Doch obwohl von der Leyen einst angetreten war, das System der Rüstungsbeschaffung grundlegend zu reformieren, und die reibungslose Abwicklung der Hubschrauber-Beschaffung als Erfolg für ihre Amtszeit werten könnte, dürfte sie dies nur kurzzeitig aufgeheitert haben. 

Denn in den vergangenen Tagen ist immer deutlicher geworden, daß von der Leyen vor den Trümmern ihrer Arbeit als Verteidigungsministerin steht. Einzig das nahe Ende der Legislaturperiode verhindert nach Meinung vieler Beobachter ihre Entlassung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Denn das Verhältnis der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt zur Truppe gilt durch ihr Agieren in der Affäre um den Terrorverdacht gegen mehrere Offiziere und die sich anschließende Traditionskrise der Bundeswehr als irreparabel beschädigt. Die CDU-Politikerin, so der verbreitete Vorwurf, habe sich in diesen Fällen ebenso wie bei den vermeintlichen Übergriffen bei der Sanitäter-Ausbildung im württembergischen Pfullendorf nicht schützend vor ihre Untergebenen gestellt, sondern versucht, sich auf Kosten der Soldaten als rücksichtslose Aufklärerin zu inszenieren, um daraus politisch Kapital zu schlagen.

Wie sehr es in der Truppe mittlerweile brodelt, wurde in der vergangenen Woche bei einem politischen Routinetermin in Berlin deutlich. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner, nutzte den Jahresempfang des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), für eine Abrechnung mit der Verteidigungsministerin und den Zuständen der Armee. 

Empörung an der Basis    des Reservistenverbands

Wüstner zeichnete in seinem Grußwort ein schonungsloses Bild vom inneren Zustand der Bundeswehr, die von interner Spannung und Druck geprägt sei und sich in einer Vertrauenskrise befände. „Schaden genommen hat dabei leider auch die politische und militärische Führung“, sagte der Verbandschef. Vor allem der Umgang mit den angeblichen oder tatsächlichen Verfehlungen innerhalb der Truppe stieß bei ihm auf Kritik. „Wo fängt Innere Führung an und wo hört sie auf, wenn Menschen wie Oberst Dr. Köster, Oberst Schmidt, Generalmajor Spindler oder auch Generalmajor Weisenburger und Direktor Hedrich aus den Medien erfahren, was auf sie zukommt – garniert mit keinesfalls ehrenvollen Begründungen“, fragte Wüstner mit Blick auf die während der jüngsten Affären von der Ministerin abgelösten Kommandeure. Wüstner mahnte mehr Fingerspitzengefühl beim Umgang mit möglichen Verfehlungen innerhalb der Armee an. „Durch etwas mehr Ruhe und Gelassenheit, einen besseren Umgang miteinander, insbesondere eine verbesserte Kommunikation, kann Vertrauen wieder wachsen und die Bundeswehr schlicht besser werden“, gab er der Verteidigungsministerin mit auf den Weg.

Ganz andere Töne kommen dagegen derzeit vom Reservistenverband der Bundeswehr. In einem Brief, den die traditionell politiknahe Verbandsführung Ende Mai an ihre Mitglieder verschickte, wird von der Leyen demonstrativ in Schutz genommen. „Für die ihr unterstellte pauschale Verallgemeinerung, die manche bewußt mißverstehen wollen“, habe sich die Ministerin mehrfach entschuldigt, beteuern die Verantwortlichen. „Unsere Kameradschaft verbietet es uns, nachzutreten“, heißt es fast beschwörend. Rückendeckung gibt es von der Führung des Reservistenverbandes auch für den von der CDU-Politikerin verkündeten radikalen Bruch mit den Traditionen aus der Zeit vor der Gründung der Bundeswehr. „Die Tradition der Truppe baut inzwischen auf der 60jährigen Geschichte der Bundeswehr auf“, ist in dem Brief ganz im Geist der Politik von der Leyens zu lesen. 

Vor allem dieser Zungenschlag kam offenbar bei der Basis nicht gut an. Unter den im Verband organisierten Reservisten hat der Brief für erheblichen Unmut gesorgt. In einem der JUNGEN FREIHEIT vorliegenden Schreiben eines frustrierten Oberstleutnants der Reserve wird der Verbandsführung unter anderem vorgeworfen, sie wolle Kritiker der Verteidigungsministerin mundtot machen. „Unser Verband hat nicht eine Vorfeldorganisation für im Bundestag vertretene Parteien zu sein“, mahnt der erboste Oberstleutnant der Reserve.

Unterdessen scheint von der Leyen entschlossen, die von ihr angekündigte Neufassung des Traditionserlasses von 1982 noch während ihrer vermutlich im Oktober oder November endenden Amtszeit umzusetzen. Der jungen freiheit liegt die sogenannte „Roadmap“ des Verteidigungsministeriums zur Überarbeitung des Erlasses vor. Mit diversen Workshops soll die Bundeswehr auf möglichst breiter Basis diskutieren, welche militärischen Traditionen für die Soldaten der Bundeswehr künftig verbindlich sein sollen. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Die kurze Frist bis zum Ende der Legislaturperiode erschwere ebenso wie die Urlaubsplanung innerhalb der Truppe die Diskussion, berichten die zuständigen Planer im Bendler-Block.

Rückendeckung bekamen die Kritiker der Verteidigungsministerin Anfang der Woche vom in der Truppe hoch angesehenen pensionierten Bundeswehr-General Christian Trull. Dieser hatte 2005 mit einer mittlerweile legendären Wutrede für Aufsehen gesorgt. Trull glaubt, daß von der Leyen mit der von ihr geplanten Reform des Traditionserlasses scheitern wird. „Und ich sage voraus, daß die Bundeswehr und vor allem das Heer und insbesondere die Kampf- und Kampfunterstützungstruppen der Ministerin auf diesem Weg nicht folgen wird“, sagte er der FAZ: „Militärische Verbände lassen sich mit einem Federstrich auflösen, militärische Traditionen nicht.“ Die Verteidigungsministerin habe das eigentliche Wesen des Soldaten nicht erkannt. Der Kämpfer von morgen, so Trull, brauche den Kämpfer von gestern.