© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Genetisch haargenau
DNS-Analyse: Nach den Innen- wollen auch die Justizminister den Freiraum für Ermittler weiten / Doch der Ressortchef im Bund hat Bedenken und bremst
Paul Leonhard

Die Innenministerkonferenz ist einverstanden. Die Strafermittler sollen mehr Rechte bei der DNS-Analyse erhalten. Dieses Signal bekamen die Justizminister während ihrer Frühlingstagung am vergangenen Mittwoch und Donnerstag im rheinland-pfälzischen Deidesheim. Dort ist die Erweiterung der DNS-Analyse eines der Themen auf dem vollgepackten Tagungsprogramm, aber anders als die europaweite Speicherung von Fingerabdrücken oder die Nutzung von Lkw-Mautdaten offenbar längst nicht das wichtigste. Jedenfalls taucht es unter den Beschlüssen nicht auf. 

Ohnehin bremst Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) seit Monaten, wenn es um die vom grün-schwarz regierten Baden-Württemberg im Dezember angestoßene Diskussion und im Februar in den Bundesrat eingebrachte Gesetzesinitiative geht. „Ob wir alles, was wir technisch können, auch wirklich wollen, und das vor allem unter rechtlichen Gesichtspunkten“, hatte Maas noch Ende März auf einem Expertensymposium gefragt und eingeräumt: Technisch sei es Molkelulargenetikern möglich, etwa festzustellen, „daß der Speichel vom Tatort auf einen Mann schließen läßt, der mit 87prozentiger Wahrscheinlichkeit schwarze Haare hat, zu 98 Prozent weiße Haut und zu 95 Prozent dunkelbraune Augen“.

Genau diese Erhebungen und Berechnungen – in anderen Ländern längst gesetzlich möglich – verbietet in Deutschland die Strafprozeßordnung: Anhand einer DNS-Spur darf nur das Geschlecht der Person ermittelt werden (JF 48/16). Maas weist darauf hin, daß Haare gefärbt werden können, ergrauen oder ausfallen, daß die Augenfarbe mit gefärbten Kontaktlinsen verändert werden kann, man einer Person Alter und Größe oft nicht richtig ansehe: „Die DNA kann hier nicht mehr liefern als einen ungefähren Hinweis.“ Überdies habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt, daß „Merkmale, die den absoluten Kern der Persönlichkeit betreffen, zu dekodieren, ein schwerwiegender Eingriff“ in die vom Grundgesetz garantierten Rechte wäre, so Maas. Der Strafanspruch des Staates gelte nie absolut.

„Erheblicher Eingriff in die Grundrechte“

So ist es für Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) schon ein Erfolg, wenn Maas nicht mehr über das „Ob“, sondern nur noch das „Wie“ der Erweiterung der DNS-Analyse sprechen will. Und auch die Zustimmung der Innenminister freut Wolf. „Dieser Rückenwind tut unserem Vorstoß gut.“ Geht es nach Baden-Württemberg und Bayern, wird der Paragraph 81e der Strafprozeßordnung künftig lauten: „Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen auch Feststellungen über das Geschlecht, die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das biologische Alter getroffen werden.“

Ursprünglich stand in dem Gesetzentwurf auch die Auslesung der „bio-geographischen Herkunft“ des unbekannten Täters, aber da stellte sich die grüne Mehrheit im Stuttgarter Landtag quer. „Ganze Gruppen unter Generalverdacht“ zu stellen ist aus Sicht des Grünen-Rechtsexperten Jürgen Filius ein „erheblicher Eingriff in die Grundrechte“. Dabei ist die Auswertung der kontinentalen Herkunft die relativ genaueste der Methoden.

Man könne durchaus „die genetischen Wurzeln von Menschen aus Europa, dem subsaharischen Afrika, aus Ost- und Südasien unterscheiden“, so der Leiter der Forensischen Molekulargenetik des Universitätsklinikums Köln und Vorsitzende der Spurenkommission der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute in Deutschland, Peter Schneider, in der Tageszeitung Neues Deutschland. Länderspezifisch könne die Herkunft allerdings nicht ermittelt werden. Schon in Mittelasien, dem Nahen Osten und im Mittelmeerraum sei das sehr unübersichtlich.

Nach der Justizministerkonferenz zeigt sich Wolf optimistisch: „Ich hoffe, daß unsere Initiative dadurch auch auf Bundesebene neuen Schwung erhält und die erweiterte DNS-Analyse endlich kommen wird.“ Allerdings dienen derartige Konferenzen lediglich der Koordination und Abstimmung von rechtspolitischen Vorhaben der Länder. Von den gefaßten Beschlüssen können lediglich Impulse ausgehen. Und Bundesjustizminister Heiko Maas hat erreicht, daß es in dieser Legislaturperiode zu keiner Entscheidung mehr kommt.