© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Die Vision des Nicolaas Diederichs
Edelmetallhandel: Wie Südafrika vor 50 Jahren mit dem Krügerrand den Goldmarkt revolutionierte
Bruno Bandulet

Es gibt sie noch, die guten Dinge. Wenn ein Investmentprodukt mit einem Durchmesser von nur 32,77 Millimetern und einer Dicke von 2,84 Millimetern so schwer in der Hand liegt, wenn es Inflationen, Finanzcrashs und Krisen aller Art unbeschadet überstanden hat, wenn es eine ganze Branche revolutioniert hat und nie angepaßt oder modernisiert werden mußte – dann kann es nur der Krügerrand sein. 

Am 3. Juli 1967 wurden die ersten Exemplare in Südafrika in einer kleinen Zeremonie vorgestellt. Der Jahrgang 2017 sieht nicht anders aus als der vor 50 Jahren: auf der Vorderseite der Springbock, das Wappentier Südafrikas, mit der Jahreszahl, der Angabe des Feingehaltes und dem Namen „Krugerrand“. Das im Deutschen gebräuchliche „ü“ ist eigentlich nicht ganz korrekt. Und auf der Rückseite das Porträt des Paul Kruger, der von deutschen Einwanderern abstammte und von 1882 bis 1902 der Südafrikanischen Republik als Präsident diente, der in Europa weithin als Freiheitskämpfer gegen den britischen Imperialismus gefeiert wurde und 1904 im schweizerischen Exil starb.

Eine tollkühne Prognose, die sich bewahrheitete

Am Anfang standen eine Vision, eine Geschäftsidee und ein fast perfektes Timing von Nicolaas Johannes Diederichs. Seine Vorfahren stammten aus Westfalen, er selbst hatte in Deutschland studiert. 1967 wurde er Finanzminister in Pretoria. Er behielt das Amt, bis er 1975 zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Diederichs, der beste Beziehungen zu den Banken in Deutschland, Frankreich und der Schweiz pflegte und zudem die Russen zu seinen Verbündeten zählen konnte, wurde berühmt als „Mr. Gold“. Er wurde nicht müde, einer ungläubigen internationalen Finanzwelt zu prophezeien, daß die Feinunze Gold in absehbarer Zeit 200 Dollar kosten würde.

1967 war das eine tollkühne Prognose, hatten doch die USA unter Präsident Franklin D. Roosevelt den Preis „unwiderruflich“ bei 35 Dollar fixiert. Der Dollar sei die stärkste Währung der Welt, war aus Washington zu hören, und beim offiziellen Preis von 35 Dollar werde es bleiben, „bis die Hölle zufriert“. Und doch durfte Diederichs wenige Tage vor seinem Tod am 21. August 1978 noch erleben, daß seine Prognose Realität wurde. Wer 1967 auf Gold setzte, hatte die Mathematik auf seiner Seite.

Die US-Auslandsschulden hatten bereits den Wert der amerikanischen Goldreserven überstiegen. Und da sich die Amerikaner verpflichtet hatten, ihre Schulden auf Verlangen ausländischer Zentralbanken jederzeit in Gold zu begleichen, mußten sie damit rechnen, nach und nach ihre Goldreserven zu verlieren. So oder so war absehbar, daß die 1944 beschlossene Weltwährungsordnung von Bretton Woods zusammenbrechen würde. Dann würde die Rechnung der Goldhorter aufgehen – und tatsächlich wurden die siebziger Jahre zu einem goldenen Jahrzehnt. Gold schlug Aktien, Anleihen und sämtliche Währungen.

Bereits ein Jahr nach Einführung des Krügerrand wurde der Druck so stark, daß der Goldpreis gespalten werden mußte: in den offiziellen bei 35 Dollar, der nach wie vor von den Notenbanken verteidigt wurde, und in einen freien Marktpreis. Aber selbst damit war das Spiel noch nicht gewonnen. Erst kletterten die Goldpreise über die Marke von 40 Dollar, dann fielen sie bis Ende 1969 wieder auf 35 Dollar zurück. Die Goldinvestoren wurden nervös – bis Präsident Richard Nixon im August 1971 kapitulierte, die US-Zahlungsverpflichtung in Gold einseitig aufkündigte und der Welt eine neue Variante von Staatsbankrott zumutete. Es folgte eine fulminante Goldhausse, die den Preis bis zum Januar 1980 auf 850 Dollar trieb.

Ohne den Krügerrand wäre der Goldmarkt nicht so leicht zugänglich gewesen. Bis 1967 mußte das Publikum auf weniger liquide und relativ teure Münzen aus der Zeit des Goldstandards zurückgreifen. Erst der Ein-Unzen-Krügerrand machte alles einfacher, weil Gold weltweit in Unzen gehandelt wird und weil der Krügerrand, anders als die numismatischen Münzen, exakt dem Goldpreis folgte. Lediglich mit einem Aufschlag von etwa vier Prozent, der für Prägung und Vertrieb anfällt und auch die Marge der Goldhändler beinhaltet.

So wurde der Krügerrand zur meistgehandelten Goldmünze der Welt. Seit 1967 wurden über 60 Millionen Stück verkauft. Bereits Mitte der siebziger Jahre wurden in Westdeutschland an die zwei Millionen Krügerrand jährlich abgesetzt. An den Schaltern der Sparkassen, bei der Dresdner Bank, in den 1.200 Filialen der Deutschen Bank – überall war der Krügerrand vorrätig und jederzeit unbürokratisch zu haben. Heute verkaufen die Banken lieber Zertifikate. Mit denen läßt sich mehr verdienen. Sie haben das Goldgeschäft längst Handelshäusern wie Degussa oder Pro Aurum überlassen. Südafrika spielte den Pionier, erst später griffen andere die Geschäftsidee auf: 1979 Kanada mit dem Maple Leaf, 1986 die USA mit dem Eagle, 1989 Österreich mit dem Philharmoniker. Der Maple Leaf kam gut an, wohl auch deshalb, weil ihn die Kanadier aus reinem Gold mit einer Feinheit von 999,9 (von 1.000) prägten. Der Krügerrand blieb bei 916,7 und damit bei 22 Karat und wiegt deswegen mehr als der Maple Leaf, nämlich nicht 31,103 Gramm, sondern 33,93 Gramm. Das erklärt sich aus der Beimischung von Kupfer, wodurch die Münze kratzfest wird und nicht so leicht beschädigt werden kann. Das Feingewicht von einer Unze ist unabhängig von der Legierung immer identisch.

Seit 1967 wurden über 60 Millionen Stück verkauft

Es war kein Zufall, daß die USA im selben Jahr, als sie den Eagle herausbrachten, einen internationalen Boykott des Krügerrand durchsetzten. In Westeuropa durfte er zwar gehandelt, aber nicht mehr importiert werden. Mit dem Embargo gegen den „Apartheidstaat“ und wegen der tiefen Goldpreise in den neunziger Jahren schien das Ende gekommen. Jahrelang wurde der Krügerrand in Südafrika nur noch für den Inlandsmarkt hergestellt, in Europa mußten die Münzen mangels Nachfrage massenweise eingeschmolzen werden.

Als Südafrika 1994 nach dem Machtwechsel in Pretoria an den Weltmarkt zurückkehrte, waren zwei Entscheidungen zu treffen. Trotz der Popularität des Maple Leaf blieben sie bei der Formel 916,7 – und bei der Marke Krügerrand, was dem Gebot der Politischen Korrektheit zuwiderlief, steht doch der Name für die überwundene weiße Vorherrschaft am Kap. Aber vielleicht imponierte den schwarzen Politikern insgeheim der Mut Krugers und sein Widerstand gegen die englische Kolonialmacht.

Inzwischen ist der Krügerrand wieder die meistverkaufte Goldmünze in Deutschland und der deutsche Marktführer Degussa der größte Krügerrand-Verkäufer der Welt. Im vergangenen Jahr war Deutschland nach China und Indien und noch vor den USA mit 122 Tonnen, die in Form von Barren und Münzen nachgefragt wurden, der drittgrößte Absatzmarkt der Welt für physisches Gold. Die Liebesaffäre hält an, der Krügerrand bleibt hierzulande das Synonym für moderne Goldmünzen. 

Es gibt kleinere Krügerrand, doch preiswert sind diese nicht, denn: je kleiner, desto höher der Aufschlag auf den Goldwert. Wer Seltenes sucht, wird in der Numismatik fündig. Zum Beispiel mit der 1916 in Deutsch-Ostafrika geprägten 15-Rupien-Goldmünze mit dem trompetenden Elefanten und einem Feingewicht von 5,32 Gramm, offizielles Geld des kaiserlichen Schutzgebietes aus einer Zeit, als Paul von Lettow-Vorbeck mit seinen Askaris der britischen Armee bis zum Kriegsende trotzte.





Dr. Bruno Bandulet ist Publizist und Herausgeber des Deutschland-Briefs (erscheint in dem Magazin Eigentümlich frei).

The South African Mint Company: www.samint.co.za