© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Viel geleistet, wenig erreicht
NSA-Affäre: Untersuchungsausschuß legt Bericht vor
Peter Möller

Am Ende waren sich alle einig: Der NSA-Untersuchungsausschuß des Bundestages, der in der vergangenen Woche seinen Abschlußbericht an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übergeben hat, war wichtig und notwendig. Doch darüber, welche Konsequenzen aus dem 1.800 Seiten umfassenden Bericht des Gremiums gezogen werden müssen, gehen die Meinungen weit auseinander.

Aus dem Fokus der Öffentlichkeit war das im März 2014 eingesetzte Gremium bereits seit längerer Zeit verschwunden. Dabei ist die Arbeitsleistung der Abgeordneten unter dem Vorsitz des CDU-Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg durchaus beachtlich. In insgesamt 581 Stunden Sitzung wurden zahlreiche Sachverständige sowie 80 Zeugen vernommen, darunter mehrere Bundesminister und Geheimdienstmitarbeiter sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Abgeordneten und ihr Mitarbeiterstab arbeiteten zudem mehr als 2.400 Akten durch, von denen 561 als geheim eingestuft waren.

Sondervotum: BND war „willfähriger Helfer“

Zur Erinnerung: Im Juni 2013 hatte sich der frühere amerikanische NSA-Mitarbeiter Edward Snowden mit Tausenden Dateien aus den Computernetzwerken der NSA im Gepäck nach Hongkong abgesetzt. Die Dokumente zeigten, daß der amerikanische Geheimdienst die weltweite Kommunikation in einem bis dahin nicht für möglich gehaltenem Maße überwacht.

Die Enthüllungen Snowdens stießen vor allem in Deutschland schnell auf besonderes Interesse. Denn aus den Unterlagen geht hervor, daß die Bundesrepublik für die NSA eine ganz besondere Bedeutung hat. So stellte sich heraus, daß der Geheimdienst offenbar nahezu den kompletten deutschen Internetverkehr mitgelesen hatte. Für einen handfesten Skandal sorgte die Enthüllung, daß amerikanischen Agenten vom Dachgeschoß der amerikanischen Botschaft am Brandenburger Tor aus die Handygespräche deutscher Politiker und Journalisten belauschten – einschließlich derjenigen der Bundeskanzlerin. Spätestens nach dieser Enthüllung, die von der amerikanischen Seite zumindest indirekt bestätigt wurde, war aus der Geheimdienstaffäre eine diplomatische Krise geworden, die in dem Satz Merkels gipfelte: „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.“

Doch die Aufregung verebbte schnell, nicht nur weil bald publik wurde, daß auch der Bundesnachrichtendienst (BND) durchaus Interesse für Politiker befreundeter Nationen zeigte. Dennoch war es Hauptaufgabe des Ausschusses zu klären, ob und in welchem Maße die NSA und andere ausländische Geheimdienste Deutschland ausgespäht haben. Immer stärker geriet dabei auch der BND ins Visier der Aufklärer – verbunden mit der Frage, ob der Dienst illegal massenhaft deutsche Staatsbürger ausspioniert hat.

Zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand entwickelten sich dabei die sogenannten Selektoren. Hinter diesem Wort verbergen sich Suchbegriffe, mit denen die NSA teilweise in Zusammenarbeit mit dem BND die riesigen Datenströme, die nicht zuletzt auch in Deutschland abgegriffen werden, nach relevanten Informationen durchforsten. Die Bundesregierung weigerte sich jedoch bis zum Schluß, dem Ausschuß die Selektorenlisten zur Verfügung zu stellen.

Auch wenn der Ausschuß die Abhöraffäre letztendlich nicht aufklären konnte, sind nicht nur die Beteiligten mit den Ergebnissen durchaus zufrieden. „Kein Ausschuß oder Kontrollgremium hat sich bisher so intensiv damit beschäftigt, wie elektronische Kommunikationsüberwachung im 21. Jahrhundert funktioniert“, bilanzierte etwa der SPD-Abgeordnete Christian Flisek. Und auch die Union, der immer wieder vorgeworfen wurde, sie habe die Aufklärung verschleppt, um das angeschlagene Verhältnis zu den Vereinigten Staaten nicht weiter zu belasten, zieht eine positive Bilanz. „Edward Snowden hat uns eine Debatte gebracht, die ohne ihn nicht dagewesen wäre, die wichtig ist“, verwies Sensburg auf die Bedeutung des NSA-Whistleblowers, den vor allem die Grünen und die Linkspartei gerne im Ausschuß als Zeugen vernommen hätten. Doch das erwies sich ebenso als Illusion wie etwa die geplante Vernehmung von Internetgrößen wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder Apple-Chef Tim Cook.

Bleibt die Frage nach den Konsequenzen aus den Befunden. Denn hierbei gehen die Meinungen weit auseinander. So stellte Martina Renner von der Linkspartei zwar fest, daß der Ausschuß richtig, wichtig und erfolgreich gewesen sei und trotz aller Behinderungen und Drohungen offengelegt hätte, daß „Milliarden Daten unbescholtener Bürger an die NSA flossen“. Die Feststellung, der BND sei ein „willfähriger Helfer“ des großen Bruders gewesen, fand jedoch keinen Eingang in den gemeinsam beschlossenen Abschlußbericht, sondern floß in ein Sondervotum der Opposition ein. Ebenso wie die Feststellung, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages und die G10-Kommission seien vom BND „ignoriert und belogen“ worden. 

Sensburg dagegen legte als eine Lehre aus der Arbeit des Gremiums ein Bekenntnis zum BND ab. „Wir müssen den BND personell und sachlich so aufstellen, daß er seine Arbeit erledigen kann“, sagte der CDU-Politiker. Für ihn steht außer Frage, daß die Kompetenzen der Geheimdienste in der digitalen Welt weiter ausgebaut werden müßten. Doch diese Entscheidungen liegen nicht mehr in der Hand des NSA-Untersuchungsausschusses, sondern in der der nächsten Bundesregierung. Nicht nur die Erfahrung mit dem NSU-Untersuchungsausschuß zeigt jedoch, daß auch das Papier, auf dem die Abschlußberichte gedruckt werden, sehr geduldig ist.