© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Aufgeblasen zur Existenzfrage
Ungarns Hochschulpolitik unter Beschuß
Malte Fiebig

Mitte April verabschiedete die Regierung des Ministerpräsidenten Victor Orbán ein Gesetz, das ausländischen Universitäten in Ungarn verbietet, Abschlüsse zu erteilen, wenn sie in ihrem Herkunftsland keinen Lehrbetrieb unterhalten. Hauptsächlich betroffen von dieser Neuregelung wäre die 1991 gegründete, von dem US-Großspekulanten George Soros finanzierte Central European University (CEU) in Budapest, die in den Vereinigten Staaten nicht über einen Campus verfügt.

Der CEU ist es gelungen, gegen das Gesetz europaweit eine beeindruckende Empörungs- und Protestlawine loszutreten. Und in einem offenen Brief zückte Ungarns prominentester Intellektueller, der Schriftsteller György Konrád, gegen Orbán eine bewährte Allzweck- und Wunderwaffe, die Antisemitismuskeule. Denn Soros, wie Konrád jüdischer Herkunft, verwende als edler Philanthrop sein allein „durch Begabung und Fleiß angehäuftes Vermögen“, um „hervorragende Institutionen“ zu gründen und der bildungshungrigen Jugend „Gutes“ zu tun (FAZ vom 13. April 2017).

Als Kampf des Guten und Edlen gegen „populistische“ und „autokratische“ Mächte der Finsternis inszeniert auch der Münchner Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel diesen Konflikt (Forschung&Lehre, 5/2017). Für ihn, der, geographisch etwas desorientiert, den Streit um den „Leuchtturm CEU“ mit anderen Bedrohungen der Wissenschaftsfreiheit „im östlichen Europa (Türkei, Rußland)“ in Beziehung setzt, geht es dabei um nicht weniger als um das Schicksal des Kontinents, wenn er mit Merkel-Tremolo dekretiert: „Scheitert der europäische Wissenschaftsraum“ in Budapest, dann „scheitert Europa“.

Womit sich die CEU die hohe Wertschätzung ihrer sich in Lobeshymnen überbietenden Unterstützer verdient hat, ist den Solidaritätsadressen allerdings nur am Rande zu entnehmen und steht eher im Widerspruch zum hurtig propagierten Selbstbild der Soros-Institution. Betont Schulze Wessel doch ihre sozialwissenschaftliche Kompetenz, die das Denken osteuropäischer Studenten, von „nationalen Engführungen“ befreien soll. Weil dieses Argument aber allzu stark Orbáns Vorwurf bestätigt, die CEU indoktriniere im Sinne von Soros’ den Nationalstaat destabilisierender „Open Society“-Ideologie, kehrt ihr Prorektor Liviu Matei jetzt deren naturwissenschaftliche Exzellenz heraus: Denn „CEU-Forscher publizieren überdurchschnittlich häufig in Science und Nature“ (Deutsche Universitäts-Zeitung, 5/2017).


 www.forschung-und-lehre.de

 www.duz.de