© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Treter, die Deutschland prägten
Wenig beachtet, begleitet er unseren Alltag noch heute: der Bundschuh
Verena Rosenkranz

Wenn mit Fackeln, Mistgabeln und Spaten eine wütende Meute gegen die Obrigkeit, zog, dann blieb oft kein Stein auf dem anderen. „Ja gnade dir Gott, du Ritterschaft, der Bauer stund auf im Lande, und tausendjährige Bauernkraft macht Schild und Schärpe zu Schande“, hieß es dann vom Rhein bis nach Oberösterreich im Lied „Die Glocken stürmten vom Berndwardsturm“. Veit Stoßperg, Hans Kudlich oder Stefan Fadinger sind dabei Namen, über die man unweigerlich stolpert. Genauso wie über den Bundschuh, das Symbol all jener Freiheitskämpfer und erhabenes Zeichen in Stadtwappen, Häuserfassaden oder Bestandteil von Erzählungen und Liedern. 

Wie aber ein einfacher lederner Schnürstiefel einen solchen Bekanntheitsgrad erlangte, ist eine lange Geschichte. Genauso wie die der Bauernaufstände vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Während der Bauernkriege wurde der Schnürstiefel Anfang des 16. Jahrhunderts zu einem Gemeinschaftssymbol der Bauern, der Bundschuh-Bewegung und der Bundschuh-Verschwörung.

Der Schuh bezeichnet eigentlich einen einfachen Stiefel, meist aus Rindsleder, der mit einem langen Riemen gebunden und vorwiegend von der Landbevölkerung getragen sowie gefertigt wurde. Der Schaft war genau so hoch, daß er die Beinkleider der Bauern umfaßte – und hervorragend auf der Spitze eines langen Stockes steckenblieb. Genau so wurde er zum Anführungs-, aber auch Hoffnungssymbol für viele Bauernbewegungen. 

Besonders angetan hat es das Schuhwerk auch den erst spät zum österreichischen Herrschaftsgebiet dazugekommenen Innviertlern. Die nahe Bayern gelegene Stadt Ried im Innkreis führt den Bundschuh sogar in ihrem Stadtwappen. Auch der in Stein gehauene und auf einen Brunnen gestellte Dietmar der Anhanger hält für jeden ersichtlich einen Stab mitsamt Bundschuh in der Hand. 

Die Legende besagt, daß der aus Ried stammende Müllersbursche sich während des Dritten Kreuzzuges 1189 besonders auszeichnete. Als die kämpfenden Truppen von Friedrich I. Barbarossa im Morgenland der Mut verließ, sprang er vor die wankenden Reihen und schwang – weil er eben spontan nichts Besseres zur Hand hatte – seine Lanze mit dem Bundschuh darauf. Die Flucht der Kreuzfahrer stoppte, und er konnte seinen Kameraden mit dem einfachen Symbol neuen Mut machen und sie schließlich zum Sieg führen. Der Herzog von Bayern rief ihn, zurück in der Heimat, zu sich und schlug ihn zum Ritter. Weil sein Symbol zum Sieg beigetragen hatte, verlieh er ihm den Beinamen „der Anhanger“ und belohnte ihn mit ausgedehnten Landgütern, unter anderem dem Markt Ried. Seither führt auch seine Heimatstadt den Bundschuh im Wappen.

Zeichen von Bauern und Kreuzfahrern

Im Kontrast zu den sporenklingenden Ritterstiefeln, erkoren auch die Anhänger der Bundschuh-Aufstände das Kleidungsstück zum Identitätssymbol. Die von 1524 bis 1526 dauernden Konflikte waren allerdings keine Bauernkriege, wie sie landläufig oftmals bezeichnet werden, sondern eher viele lokale Verschwörungen gegen die Obrigkeit, die schließlich allesamt niedergeschlagen wurden. Für einen Großteil von ihnen war der Bauer Joß Fritz verantwortlich, der als Feldzeichen den Schnürstiefel wählte und audrücken sollte, daß die Bauern aus Untergrombach, Lehen im Breisgau und am Oberrhein gemeinsam aufgestanden waren, um gegen ihre unterdrückenden Herren vorzurücken. 

Ihre Forderungen waren nach jahrelangen Mißernten mehr als nachvollziehbar: Verteilung des Kirchengutes an Arme und Soldaten, kein Gericht außer jenes am Wohnort sollte gelten, Abschaffung von maßlosen Zöllen und Abgaben. Bevor die über tausend Anhänger der Bewegung ihr Anliegen allerdings vorbringen konnten, wurden sie von Geistlichen verraten. Ein Mosaik in Form einer Fahne mitsamt Bundschuh auf den Pflastersteinen in der Innenstadt von Freiburg erinnert bis heute an diese Bauernaufstände.