© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/17 / 14. Juli 2017

Opfer zweiter Klasse
Bundestag: Die Opfer des Kommunismus müssen weiterhin auf ein Mahnmal warten
Christian Vollradt

Versprochen, gebrochen. Ein Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft wird es so schnell nicht geben. Auch wenn die Große Koalition das Projekt eigentlich in dieser nun ablaufenden Legislaturperiode voranbringen wollte. Aber, nein. „Das wird nichts mehr“, meinte schon Wochen vor der letzten Sitzung in der 18. Wahlperiode ein Abgeordneter aus einer der beiden Koalitionsfraktionen frustriert in vertraulicher Runde. Über ein Vierteljahrhundert nach der 89er-Revolution und Wiedervereinigung gibt es für diese Opfergruppe noch immer keinen zentralen Gedenkort in Deutschland.

„Hier darf es keine Denkverbote geben“

Dabei liegt eine entsprechende Empfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien bereits seit dem Juni 2013 – also noch aus der vorigen Legislaturperiode – vor. Dort hieß es, der Bundestag fordere die Bundesregierung auf, „die Einrichtung eines zentralen Mahnmals für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft zu prüfen“. 

Im September 2015 beschloß das Parlament dann einen Antrag von Union und SPD, in dem es unter der Überschrift „25 Jahre Deutsche Einheit – Leistungen würdigen, Herausforderungen angehen“ unter anderem heißt: „In Deutschland gibt es bislang noch kein zentrales Denkmal zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft. Zusammen mit dem deutschlandweit begangenen Gedenktag am 17. Juni wäre dies ein wichtiger Teil einer Erinnerungskultur an die SED-Diktatur, der sich zugleich in die Gedenkstättenkonzeption des Bundes einordnen muß“. Diese sei daher, so forderten die Abgeordneten die schwarz-rote Bundesregierung auf, „im Sinne des Koalitionsvertrages“ zwischen Union und SPD weiterzuentwickeln und dabei „im Besonderen eine in dieser Legislaturperiode anstehende Initiative des Deutschen Bundestages“ für solch ein Mahnmal „an einem zentralen Ort in Berlin vorzubereiten und zu begleiten“. Unterzeichnet hatten den Antrag die drei Fraktionsspitzen Volker Kauder (CDU), Gerda Hasselfeldt (CSU) und Thomas Oppermann (SPD).

Das sei „ein Meilenstein auf dem Weg zu einem zentralen Gedenkort“ für die Kommunismusopfer, jubelte damals der Vorsitzende, der Berliner CDU-Abgeordnete Kai Wegner. Ein solches Mahnmal nannte er auch mit Blick auf andere mittel- und osteuropäische Länder „längst überfällig“. Bis es Realität werde, sei jedoch noch viel zu tun: „Der Bundestag muß Geld im Haushalt bereitstellen, damit die Planungen bald aufgenommen werden können. Notwendig ist auch eine Entscheidung über den Standort. Hier darf es keine Denkverbote geben.“ Man habe jetzt zwei Jahre Zeit, das Denkmal so vorzubereiten, „daß sein Bau unwiderruflich ist.“ Diese zwei Jahre sind nun vorbei. Doch in der Zwischenzeit ist weder Geld bereitgestellt noch ein Standort gesucht (geschweige denn gefunden) worden. Und das, obwohl schon 2008 eine „Initiativgruppe“ verschiedener Opferverbände konzeptionelle Vorarbeiten geleistet und der Politik entsprechende Vorschläge unterbreitet hat. 

Noch im Frühjahr 2017 hätte die Chance bestanden, die Errichtung des Mahnmals endlich auf den Weg zu bringen. Sogar die Grünen wollte man dabei mit einbeziehen, um endlich – bis spätestens Ende nächsten Jahres – ein fertiges Konzept unter Dach und Fach zu haben. Bei der Frage, wer schuld am Scheitern ist, schieben sich die Koalitionspartner nun gegenseitig den Schwarzen Peter zu. So warfen die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl und die Berichterstatterin der Fraktion, Hiltrud Lotze, in einer Presseerklärung der Union vor, das „Vorhaben auf den letzten Metern“ scheitern zu lassen. Trotz Einigung mit dem zusändigen Berichterstatter der Union – dem sächsischen Abgeordneten Marco Wanderwitz (CDU) – hätten „die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU nun einen Rückzieher gemacht“. 

Eine öffentliche Antwort der CDU/CSU-Fraktion blieb aus. Auch Wanderwitz wollte sich auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT nicht zu den Vorwürfen äußern. Aus Kreisen der Union ist jedoch zu hören, man sei stinksauer auf die SPD. Denn in Wahrheit habe deren Fraktion – allen voran der Vorsitzende Oppermann – das Mahnmal hintertrieben. Und zwar indem das ursprünglich auf die Opfer des Kommunismus fokussierte Anliegen „systematisch verwässert“ worden sei, wie ein Beobachter der JF mitteilte. Selbst ein sozialdemokratischer Abgeordneter gab in vertraulicher Runde zu, daß die Sache an ihrer „Aufblähung“ gescheitert sei. 

So enthält der jüngste Entwurf des Antrags, der der jungen freiheit vorliegt, ein buntes, bisweilen wirr zusammengewürfeltes geschichtspolitisches Wünsch-dir-was, in dem nur noch am Rande vom eigentlichen Kern, dem Mahnmal für die Kommunismusopfer die Rede ist. Im Vergleich mit einem seiner Vorgänger ist dieser Antrag fast doppelt so lang, und erst im letzten Absatz der zweiten Seite kommt die Rede auf das Mahnmal. Davor wird ziemlich zusammenhangslos von „Opfergruppen“ gesprochen, die im „Gedenkensemble fehlen“. Dies betreffe „auch die Opfergruppen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik im Osten“. Wie und wo ihrer gedacht werden soll, darüber seien auch „Vertreter, Polens, Weißrußlands, der Ukraine, Rußlands und gegebenenfalls weiterer Länder mit einzubeziehen“. Was dagegen fehlt, ist der ursprünglich im Antrag verzeichnete Passus, auch „die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft außerhalb Deutschlands“ sollten berücksichtigt werden. Damit ist das hierzu im Koalitionsvertrag Vereinbarte also nicht umgesetzt worden. Das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus findet sich indes weder bei der Union noch bei der SPD im Wahlprogramm.