© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/17 / 14. Juli 2017

Freihandel mit Hintertürchen
G20-Gipfel in Hamburg: Offenen Dissens gab es nur beim Klimaschutzabkommen
Thorsten Brückner

Vor dem Eindruck der massiven linksextremen Gewalt in Hamburg sind die eigentlichen Ergebnisse des G20-Gipfels etwas in den Hintergrund getreten. In den meisten Punkten herrschte unter den 19 Teilnehmerstaaten (plus der EU) Einigkeit. So zum Beispiel bei der G20-Afrikapartnerschaft, der Initiative für eine geschlechtergerechte digitale Wirtschaft oder dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus. 

Auch US-Präsident Donald Trump trug dabei die Einschätzung mit, man bekämpfe Terrorismus am besten dadurch, daß man „politische und religiöse Toleranz“ fördere. Umstritten waren vor allem die Punkte Freihandel und Klimaschutz. Zwar betonten alle Teilnehmer die Wichtigkeit des Freihandels („Protektionismus einschließlich aller unfairen Handelspraktiken weiterhin bekämpfen“). Allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Die Rolle „rechtmäßiger Handelsschutzinstrumente“ erkenne man an. Ein Entgegenkommen an die Vereinigten Staaten. Nicht wenige Beobachter kritisierten, damit werde einer protektionistischen Politik bis hin zu Strafzöllen die Tür geöffnet. 

Beim Klimaschutz endete der G20-Gipfel wie der G7-Gipfel im Mai im sizilianischen Taormina. Trump scherte als einziger aus dem „nachdrücklichen Bekenntnis zum Übereinkommen von Paris“ aus. Allerdings stellte auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einer Pressekonferenz nach dem Gipfel die Umsetzung des Pariser Abkommens für sein Land in Frage. Er will erreichen, daß sein Land nicht als Industrienation, sondern als Entwicklungsland eingestuft wird und somit weniger zahlen muß. 

Kritik am Gipfel äußerte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der von einer „überdimensionierten Veranstaltung“ sprach. Das Format sei außer Kontrolle geraten, seitdem Bundeskanzler Helmut Schmidt 1975 fünf weitere Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Treffen einlud, sagte er dem Neuen Deutschland. Für die Zukunft schlägt Bofinger ein anderes Format vor: „Vorstellbar wäre zum Beispiel, daß sich die Spitzenpolitiker in ein schönes Hotel in den Bergen zurückziehen. Jeder bringt zwei Berater mit, dann sind es 60 Menschen, die passen in ein großes Hotel“, so der Wirtschaftsweise. Bei einem solchen Treffen könnten die Spitzenpolitiker dann in Ruhe miteinander reden. Die Gipfelerklärung bezeichnete er als „ziemlich wertlos. Ich glaube nicht, daß sie die Welt voranbringen wird.“

FDP lobt Bekenntnis zum Freihandel

Positiv bewertet hingegen der Chef des Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, die Ergebnisse. „Ich glaube, es sind signifikante Fortschritte gemacht worden.“ Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und FDP-Präsidiumsmitglied Alexander Graf Lambsdorff sagte: „Das Bekenntnis der G20 zum freien Handel als Triebfeder für Wachstum und Wohlstand ist ein wichtiges Zeichen in Zeiten von stärker werdendem Protektionismus.“ 

Daß auch Präsident Trump die Abschlußerklärung zum Freihandel mittrage, zeige, „daß auch die Amerikaner wissen, wie sehr ihre Wirtschaft von offenen Märkten abhängt“. Der US-Präsident bezeichnete den Gipfel auf Twitter als „wunderbaren Erfolg“. US-Verteidigungsminister Steve Mnuchin sprach von „einem unglaublichen Konsens“. Das sah auch die Bundesregierung so: „Die Gipfelerklärung ist sicher kein breiter Fortschritt auf allen Feldern, aber es gibt ein Signal für freien Handel und gegen Abschottung“, sagte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD).