© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/17 / 14. Juli 2017

Grüße aus Wien
Du hast es besser
René-Lysander Scheibe

Jede Stadt von Bedeutung ist durchzogen von feineren und gröberen Netzen, gewoben aus persönlichen Freundschaften, höflich gehegten Feindbestimmungen und gemeinsamen Vorstellungen, und einer meist klaren Vorstellung davon, wie die Welt beschaffen sei und wie sie beschaffen sein sollte.

 Eines dieser feinen Netze, eines der vornehmsten sei hier charakterisiert, jenes der Unsrigen, denen schon viel zur Trauer hingesunken ist. Wie alle derartigen eleganten und auf übertriebene Öffentlichkeit keineswegs bedachten Zirkel hat auch der unsrige seine Kristallisationskerne. Gottlob kein Intellektuellen-Kaffeehaus und gewiß kein Parteilokal. 

Vielmehr versammelt man  sich in der Sala Terrena, die bereits Jahrhunderte überdauerte und noch heute ausschließlich durch Kerzen erleuchtet und von einem offenen Kaminfeuer beheizt wird. Gelegen in einem Alt-Wiener Haus nahe dem rechten Ufer des Wienflusses mit wundervollem Innenhof, bildet der gastliche Rahmen einen Gegensatz zu Lokalitäten am anderen, linken Ufer des namensgebenden Flusses, wo sich Unsittliche zu rotten pflegen. 

Hier wird – sehr wohltuend – ausschließlich vorrevolutionäre Musik zu Gehör gebracht.

Der Herr des Hauses, bekannt als Rinaldo Nero, hat gemeinsam mit anderen Persönlichen und einem großen Verlag aus Graz zwei Veranstaltungreihen ins Leben gerufen, die neben privaten Lustbarkeiten Winter- wie Sommersemester strukturieren. 

Da gibt es die Abende, bei denen Persönlichkeiten, die etwas zu sagen haben, eingeladen werden. So sprach Herr Doktor von P. über das Werk und Leben des Ernst Jünger. Ungarns Botschafter und der Generalkonsul von Polen trugen die Sicht ihrer Regierungen auf Europa und die großen aktuellen Probleme unseres Kontinents vor. Und bei schon sommerlicher Hitze fand ÖVP-Fraktionschef Reinhold Lopatka ein zahlreich erschienenes Publikum, als er die Bedeutung einer Leitkultur anhand von zehn Punkten hervorhob. Selten gab es so viele Wortmeldungen, und der Veranstalter mußte mäßigend auf zu sehr Erhitzte einwirken.

Keinerlei Kompromisse gibt es beim Konzertprogramm. Hier wird ausschließlich vorrevolutionäre Musik zu Gehör gebracht, in einer lärmverseuchten Zeit wohltuend und dahingehend erzieherisch, als nicht allen der Glanz der Tonsetzer vor 1789 geläufig ist. Ein prächtiges Cembalo, Cardinal geheißen und auch schon von einem römischen Kardinal gespielt, ziert die Sala Terrena. Hier bewahrheitet sich der Satz: Österreich, du hast es besser.