© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

Die linke Liste
„Aufstehen gegen Rassismus“: Spitzenpolitiker von SPD und Grünen unterschreiben einen linkslastigen Aufruf gegen bürgerlich- konservative Politik, der auch von der Linkspartei und extremen, gewaltbereiten Gruppen unterzeichnet ist
Hinrich Rohbohm

Würfe von Steinen, Flaschen, Gehwegplatten und Molotowcocktails. Brennende Barrikaden. Eingeschlagene Fensterscheiben, zerstörte Geldautomaten, in Brand gesetzte Autos. Plünderungen von Geschäften. 500 verletzte Polizisten. Bei den Krawallen Tausender Gewalttäter während des G20-Gipfels in Hamburg zeigte der Linksextremismus einmal mehr seine häßliche Fratze. Neu ist das alles nicht. Nur sind die vorangegangenen Gewaltorgien schon wieder vergessen. Etwa die Blockupy-Krawalle von Frankfurt vor zwei Jahren. Oder die jährlichen Haßattacken auf Polizisten und die Zerstörungswut in Hamburg und Berlin zum 1. Mai.

Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in der Hansestadt Anfang Juli 2017 unterscheiden sich davon lediglich in ihrem Ausmaß. Die Rituale linker Politiker und Journalisten bleiben dabei die gleichen, wenn in der Bewertung zwar von Ausschreitungen, gleichzeitig aber „weitgehend friedlichen Protesten“ und statt von linksextremen Straf- und Gewalttätern von „Jugendlichen“ und „Aktivisten“ die Rede ist. Allein das Ausmaß der Krawalle von Hamburg läßt diese Floskel diesmal nicht zu.

Dennoch machen auch dieses Mal wenige Tage später Relativierungen und Verharmlosungen die Runde. Glaubt man linken Politikern und Medienvertretern, so ist es vielmehr die Polizei gewesen, die für die Ausschreitungen in der Hansestadt verantwortlich sei und die die Situation eskalieren ließ. Legenden werden geschmiedet. Einem Bericht auf dem linkslastigen Blog „Ruhrbarone“ zufolge soll es beispielsweise allen Ernstes der sogenannte Schwarze Block gewesen sein, der Geschäfte des Schanzenviertels geschützt habe.

„Schwarzer Block verübte gezielt Gewalttaten“

„Wir haben neben all der Gewalt und Zerstörung gestern viele Situationen gesehen, in denen offenbar gut organisierte, schwarz gekleidete Vermummte teilweise gemeinsam mit Anwohnern eingeschritten sind, um andere davon abzuhalten, kleine, inhabergeführte Läden anzugehen. Die anderen Vermummten die Eisenstangen aus der Hand nahmen, die Nachbarn halfen, ihre Fahrräder in Sicherheit zu bringen und sinnlosen Flaschenbewurf entschieden unterbanden. Die auch ein Feuer löschten, als im verwüsteten und geplünderten ‘Flying Tiger Copenhagen’ Jugendliche versuchten, mit Leuchtspurmunition einen Brand zu legen, obwohl das Haus bewohnt ist.“

Und auch in der linksalternativen taz erzählt ein „Anwohner“ davon, daß die Schwarzgekleideten unschuldig seien. Ein interessantes Detail fehlt jedoch: Der „Anwohner“ führt gemeinsam mit dem ehemaligen RAF-Terroristen Karl-Heinz Dellwo eine Gastronomie.

„Totaler Quatsch“, sagt dagegen ein Mann aus St. Pauli der JF, der die Ausschreitungen in der „Schanze“ ebenfalls miterlebt hatte. „Aus dem Schwarzen Block heraus wurden gezielt Gewalttaten verübt. Da wurden Leute verprügelt, Scheiben eingeschlagen, Mülltonnen und was weiß ich nicht alles in Brand gesetzt.“ Richtig sei hingegen, daß daraufhin auch „angetrunkene und bekiffte Leute“ sich „am Gewaltrausch beteiligten“.

Der Unmut über die Krawalle reicht tief ins linke Lager hinein. „Danke, daß ihr unsere Demos kaputtgemacht habt“, gibt ein weiterer, sichtlich frustrierter Anwohner ironisch an die Adresse der Linksextremisten von sich. „Damit sind doch alle unsere Forderungen diskreditiert.“ „Ich habe den Glauben an meine Partei verloren“, meint zudem ein „bislang überzeugter Grünen-Wähler“ enttäuscht. „Es muß einfach eine glaubwürdige Abgrenzung von Gewalttätern geben. Gerade von Cem Özdemir und Toni Hofreiter hätte ich mir da klare Worte gewünscht.“

Beide Grünen-Spitzenpolitiker sind Erstunterzeichner eines Aufrufes des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“, an dem sich neben zahlreichen Politikern von SPD, Grünen und Linkspartei auch gewaltbereite Linksextremisten beteiligen. Etwa die vom Verfassungsschutz beobachtete „Interventionistische Linke“ (IL), die einen erheblichen Anteil an den Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg trägt. Laut Verfassungsschutz fungiert die IL als „Bindeglied sowohl innerhalb des linksextremistischen Spektrums als auch zwischen Extremisten und Nichtextremisten“. Dabei sei sie in der Lage, sowohl gewaltorientierte als auch nicht gewaltbereite Menschen zu erreichen, wodurch sie eine „Scharnierfunktion“ einnehme.

Domaininhaber sind die Jusos in der SPD

Unter anderem fordert die IL die „Abschaffung des Privateigentums“ sowie die „Überwindung des bürgerlichen Staatsapparates“. Deren Sprecherin Emily Laquer hatte bereits im Vorfeld des G20-Gipfel angekündigt, den Ablauf „empfindlich zu stören“. Auf Bild.de betonte sie am 11. April: „Wir werden uns nicht geschlossen von Gewalt distanzieren.“ Auch Schwarz sei „ein Teil von bunt“, erklärte sie zwei Wochen später auf Zeit.de und fügte hinzu: „Die Kriminellen von heute sind oft die Helden von morgen.“ Nach den Krawallen macht Laquer unterdessen die Polizei für die Ausschreitungen verantwortlich. „Die Verantwortung für die Eskalation trägt die Polizei, die Menschen über Tage hinweg schikaniert hat“, sagte die IL-Sprecherin der taz.

Dem Impressum zufolge ist die DKP-nahe „Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) für die Internetseite „Aufstehen gegen Rassismus“ verantwortlich. Der Verfassungsschutz hatte auch diese Vereinigung lange Jahre als linksextremistisch eingestuft. Bezeichnend: Der zentralen Registrierungsstelle für Internetseiten „denic“ zufolge ist der Netzauftritt jedoch nicht auf die VVN-BdA, sondern auf den Namen der SPD-Nachwuchsorganisation Jungsozialisten (Jusos) eingetragen. Arbeiten hier Sozialdemokraten mit kommunistischen Organisationen zusammen? Schließlich ist auch die DKP Niedersachsen Teil des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“. 

Auch die Gruppe „TOP B3RLIN“ findet sich auf der Unterstützerliste von „Aufstehen gegen Rassismus“. Sie ist im linksextremen Zusammenschluß „Ums Ganze“ organisiert. „Das Bündnis bekennt sich zur Militanz als strategische Komponente einer Organisierung“, heißt es im Verfassungsschutzbericht über „Ums Ganze“, das sich selbst als „kommunistisch“ bezeichnet. Ziel sei eine umfassende Umgestaltung von Staat und Gesellschaft. 2014 forderte das Bündnis beispielsweise: „There is an Alternative! Kommunismus statt Schweinesystem!“

Neben dem Grünen-Bundesvorsitzenden Özdemir und dem Chef der Grünen-Bundestagsfraktion Hofreiter sind auch deren Amtskollegen Simone Peter und Katrin Göring-Eckardt als Unterzeichner mit von der Partie. Zu den Erstunterzeichnern gehören ebenso die Bundesvorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Auch die SPD-Spitze ist mit ihren beiden Vizechefs Ralf Stegner und Manuela Schwesig mit dabei; die neue Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern ließ noch am 13. Juli ihren Sprecher gegenüber der Schweriner Volkszeitung ihre Mitwirkung verteidigen: „Diesen Aufruf ‘Aufstehen gegen Rassismus‘ haben Hunderte unterschrieben.“

Die JF befragte beteiligte rot-rot-grüne Spitzenpolitiker. Wir wollten von ihnen wissen, wie sie die IL und die VVN-BdA bewerten und ob sie es angesichts der linksextremistischen Straftaten während des G20-Gipfels für vertretbar halten, gemeinsam mit diesen Organisationen in Bündnissen öffentlich mitzuwirken. Nur das Büro von Katja Kipping meldet sich, verweist an die Pressestelle ihrer Partei. Bis Redaktionsschluß gab es keine weiteren Antwort auf unsere Fragen.

Zu den Mitunterzeichnern gehört auch die Linken-Politikerin Kerstin Köditz. Die frühere SED-Frau und hauptamtliche Mitarbeiterin der FDJ-Kreisleitung Leipzig-West ist eng mit der linksextremen Antifa-Szene vernetzt. Als Abgeordnete des sächsischen Landtages fungiert sie dort als Sprecherin für „antifaschistische Politik“. Neben der Organisation Pro Asyl gehört sie auch der VVN-BdA an. 

Konfrontiert mit den Verbindungen rot-rot-grüner Politiker in die linksextreme Szene schüttelt der Grünen-Wähler aus der „Schanze“ nur noch mit dem Kopf. „Bei der Linkspartei hab’ ich ja nichts anderes erwartet. Aber ich hoffe doch, daß SPD und Grüne sich von diesen Gruppen distanzieren.“ Bis jetzt wartet er vergeblich.