© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Scharfer Kurswechsel der Berliner CDU, ausnahmsweise mal in die richtige Richtung: In einer Mitgliederbefragung zur Zukunft des Flughafens Tegel haben sich 83 Prozent für die Offenhaltung und damit für die Unterstützung des Volksentscheides (Streifzüge vom 24. Juni) ausgesprochen. Das Ergebnis sei überraschend deutlich ausgefallen, sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers. Selbst in den vom Fluglärm besonders betroffenen Bezirken Pankow und Spandau lag die Zustimmung zu Tegel jeweils bei 67 Prozent; in meinem ebenfalls stark betroffenen Wohnbezirk Reinickendorf betrug sie sogar 83 Prozent. Pikant: Ausgerechnet der dortige CDU-Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Frank Steffel zeigte sich skeptisch: „Die Abstimmung über die Zukunft Tegels erfolgt zur falschen Zeit.“ Priorität habe die Öffnung des neuen Flughafens BER, sagte er. Nach der jetzigen, von der CDU bislang brav mitgetragenen Beschlußlage muß Tegel spätestens sechs Monate nach der Inbetriebnahme des neuen Haupstadtflughafens schließen. Sehr wahrscheinlich gegen den Mehrheitswillen der Bürger, wie der parallel zur Bundestagswahl am 24. September stattfindende Volksentscheid zeigen wird. Nach einer jüngsten Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der RBB-„Abendschau“ und Berliner Morgenpost sind mehr als zwei Drittel aller Berliner (69 Prozent) dafür, daß Tegel offenbleibt. 


Kluges Lebensmotto: Wenn du glaubst, daß etwas falsch läuft, dann ist das meistens richtig.


Abgerückt vom Beschluß zur Schließung Tegels ist auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Zwar gehört der Bund zu den Mitgesellschaftern des BER, trotzdem plädiert der CSU-Politiker abweichend zur offiziellen Haltung der Bundesregierung für die Offenhaltung. Eine Haupstadt mit zwei Flughäfen sei „gut vorstellbar“, meint er, zumal die Kapazitäten des BER mittelfristig für Berlin nicht ausreichend sein werden. Dobrindt: „Die 20 Jahre alten Beschlüsse zu BER und Tegel zeigen vor allem auch die damaligen Fehleinschätzungen für das Luftverkehrswachstum in Berlin.“ Prompt fing sich der unbotmäßige Minister einen Tadel ein. Bei seiner Äußerung handele es sich um einen „persönlichen Debattenbeitrag“, erklärte eine Regierungssprecherin. Der Bund stehe zum Schließungsbeschluß.


„So manchem schwindet das Vertrauen,/ Der nüchtern euer Tun ermißt;/ Er sieht euch immer Brücken bauen,/ Wo weit und breit kein Wasser ist.“ (Rudolf Presber, Schriftsteller, 1868–1935)