© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Von Terroristen unterwandert
Polen: Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung führt das Verteidigungsministerium einen Kleinkrieg gegen die im Land lebenden Minderheiten
Paul Leonhard

Polen droht von Terroristen unterwandert zu werden. Zu dieser Einschätzung kommt das Verteidigungsministerium in Warschau und fordert nun die Sicherheits- und Krisenmanagementabteilungen der Woiwodschaften schriftlich auf, Informationen über polnische Staatsbürger anderer Nationalitäten zu sammeln. Als Rechtsgrundlage dafür wurde das Gesetz über Krisenmanagement angeführt, das Verhinderung, Bekämpfung und Behebung der Folgen von Terrorismusereignissen beinhaltet, berichtet das Wochenblatt – Zeitung der Deutschen in Polen. Unter der Überschrift „Falsche Polen vortreten“ fragt es, ab „welcher Generation ein Bewohner des Landes bereits ein Pole und wann er noch ein fremdes Element“ sei.

In Polen, das eigentlich als ethnisch und national homogenes Land gilt, gibt es immerhin neun nationale und vier ethnische Minderheiten, die offiziell anerkannt sind: Deutsche, Weißrussen, Ukrainer, Russen, Litauer, Tschechen, Slowaken, Armenier oder Kaschuben. Allerdings machen diese nach unterschiedlichen Angaben nur ein bis fünf Prozent der Einwohner aus.

Der Vorstoß das Verteidigungsministeriums sei gefährlich und sorge für Verwirrung, beklagt Ryszard Galla, Abgeordneter der deutschen Minderheit, gegenüber dem Wochenblatt. Die Woiwoden seien verpflichtet, lokale Selbstverwaltungen über die Nationalität der Menschen zu befragen. Was aber passiere, wenn diese dafür auf Anträge von Eltern zurückgreifen, die ihre Kinder in der  Minderheitensprache unterrichten wollen, fragt Galla. Überdies habe das Ministerium „mit dieser Idee ein Mißtrauen gegenüber polnischen Staatsbürgern an den Tag gelegt und sie verdächtigt, ihre wahren Wurzeln zu verbergen“.

Während die Verteidigungsministerium seit Jahrhunderten auf dem Gebiet des heutigen Polens ansässige Ethnien verunsichert, scheint es die eigentliche terroristische Gefahr zu übersehen: Das Land hat Ende der 1990er Jahre viele Tschetschenen mit offenen Armen aufgenommen, weil es in diesen Waffenbrüder gegen die Russen sah; seitdem hat sich Polen zu einem Drehkreuz für Flüchtlinge aus Tschetschenien entwickelt. Tausende haben hier Asyl beantragt. Vielleicht sei es dem Ministerium ja um Personen gegangen, die „eine Daueraufenthaltskarte haben oder sich sonst wie in Polen aufhalten, ohne polnische Volksangehörige zu sein“, sagt Galla und hofft, daß alles doch nur ein Mißverständnis ist.

Wochenblatt-Chefredakteur Rudolf Urban ist da skeptisch. Bereits im Februar hätten die Minderheiten während einer Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Regierung erfahren müssen, daß „sie in derselben Rubrik der potentiellen Gefährder geführt werden, wie offensichlich gefährliche Organisationen in Polen“. Es sei wichtig, daß die Regierungschefin klar sage, daß sie die Minderheiten weder als Störfaktor noch als Problem ansehe, sondern als gleichberechtigte Partner.