© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Auf, auf zum Kampf um Amerika
Einzelhandel: Nach Aldi will nun auch Lidl den US-Markt aufmischen / Amazon drängt ins Lebensmittelgeschäft
Thomas Kirchner

Als Amazon im Juni verkündete, die weltgrößte Biomarktkette Whole Foods für 13,7 Milliarden Dollar zu übernehmen, kamen die Handelsaktien unter Druck. Gewinner und Verlierer sind aber noch nicht abzusehen. Der Versandhändler möchte ein bißchen wie die führende Supermarktkette Walmart werden, Walmart wie Amazon. Die deutschen Discountmarktführer Aldi und Lidl wollen auch ein Stück vom großen US-Kuchen.

Selten war der amerikanische Einzelhandel so im Umbruch, seit der Versandhändler Sears Watch Company 1888 zahllosen Krämerläden im damals noch wilden Westen mit seinem ersten Katalog das Geschäft vermasselte. Gekennzeichnete Festpreise statt Preisverhandlung war damals die Innovation, die Margen schrumpfen ließ.

Neue Konkurrenz belebt das traditionelle Geschäft

Machte Amazon großen Handelsketten besonders bei Elektroartikeln, Spielsachen und Büchern zu schaffen, scheint jetzt eine neue Phase im Internethandel loszugehen: die Schlacht um Lebensmittel. Dieser Sektor schien bislang immun gegen Internet-Konkurrenz. Mit der Whole-Foods-Übernahme ändert sich dies. Die 432 Filialen in Amerika und Großbritannien boten Qualitätslebensmittel im Premiumsegment, oft, aber nicht nur mit Biosiegel.

In den USA ist Whole Foods mit 1,4 Prozent Markanteil der zehntgrößte Lebensmittelhändler. Die Kunden gehören zu den höheren Einkommensgruppen. Gründer John Mackey soll die Märkte weiter leiten. Ob sich die beiden Chefs vertragen werden? Mackey ist libertär und legt Wert darauf, daß seine Angestellten genug verdienen, um sich die hauseigene Qualität leisten zu können. Amazon-Gründer und Washington Post-Eigner Jeff Bezos ist ein Philanthrop und Demokrat, der auf Billiglöhne setzt.

Amazons Übernahme ist eine defensive Reaktion auf die 2016 erfolgte Fusion von Walmart mit Onlinelebensmittelhändler Jet.com. Jet.com droht zu ernster Konkurrenz für Amazon zu werden: schon im ersten Jahr erreichte die Firma eine Milliarde Dollar Umsatz mit einem Sortiment von zwölf Millionen Produkten. 3,3 Milliarden Dollar ließ Walmart sich den Kauf kosten.

Nicht nur online belebt Konkurrenz das Geschäft. Im klassischen Lebensmittelhandel droht den amerikanischen Ketten eine zweite Front im Preiskampf: die deutschen Handelsriesen Aldi und Lidl rufen zum Kampf um Amerika. Aldi Süd ist schon seit 1976 unter eigenem Logo mit etwa 1.600 Geschäften in den USA vertreten. Aldi Nord besitzt die Premium- und Biokette Trader Joe’s mit etwa 400 Geschäften, die auf den gleichen Kundenstamm wie Whole Foods abzielt. Aldi will nun innerhalb von fünf Jahren weitere 900 Filialen. Am 15. Juni eröffnete nun auch Lidl seine ersten zehn US-Filialen, zunächst in Virginia sowie North und South Carolina. Bis 2018 sollen es schon 100 sein.

Die deutsche Expansion ist eine direkte Kampfansage an Walmart. Während Aldi weiter auf stille Expansion setzt, hat Lidl offen angekündigt, mit aggressiven Preisen bis zu ein Drittel billiger als die Konkurrenz zu sein. Aldi und Lidl bieten – wie in Deutschland – ein begrenztes Sortiment gut verkäuflicher Produkte auf kleiner Ladenfläche, während Walmart einerseits mit Megafilialen wie auch kleinen Neighborhood Markets umfassende Auswahl bietet. Im ländlichen Bereich bleibt Walmart unangefochten. Der Preiskampf wird an den Rändern der Metropolen ausgetragen.

Beim Kampf um Deutschland mußte Walmart eine vernichtende Niederlage einstecken. Der Konzern aus Arkansas glaubte 1997, mit amerikanischen Methoden den deutschen Einzelhandel aufmischen zu können und zog sich nach drei Milliarden Euro Verlust 2006 zurück. Die Situation in den USA heute ist damit nicht vergleichbar. Der US-Einzelhandel ist stark fragmentiert. Walmart ist zwar mit 20 Prozent Marktanteil die Nummer eins, doch Kroger auf Platz zwei kommt auf nur noch zehn Prozent und Costco als Dritter auf nicht einmal vier. Gemeinsam teilen sie sich also nur ein Drittel des Marktes. In Großbritannien beispielsweise kommen die Top drei (Tesco, Sainsbury’s und Asda) zusammen auf 57 Prozent, den exakt gleichen Anteil, den die drei Größen E.Leclerc, Carrefour und Intermarché in Frankreich haben. In Deutschland erreichen Edeka, Rewe und Schwarz (Lidl, Kaufland) zusammen 55 Prozent. Auch geographisch sind die USA weit fragmentierter als das dichtbesiedelte Deutschland und bieten dadurch mehr Angriffspunkte.

Die deutschen Discounter haben daher gute Chancen, in den USA erfolgreich zu sein. Doch ausgerechnet das von dem deutschstämmigen Bernard Kroger gegründete Supermarktimperium macht Lidl nun den Anfang schwer: Im Juli verklagte Kroger (2.796 Märkte, 2.255 Apotheken, 784 Nachbarschaftsläden, 319 Juweliergeschäfte, 1.445 Tankstellen) den deutschen Wettbewerber, weil die neue Lidl-Eigenmarke „Preferred Selection“ der Kroger-Marke „Private Selection“ ähnle. Das hat nicht die Dimension von VWs Dieselgate, aber Kroger verlangt, daß alle „Preferred Selection“-Verpackungen und Werbematerialien vernichtet werden. Außerdem fordern die Deutsch-Amerikaner Schadensersatz.

Die Verbraucher werden Gewinner sein

Nicht alle Auslandsabenteuer enden aber im Desaster – Walmart ist in China überaus erfolgreich, das ähnlich wie die USA Angriffspunkte für Neuankömmlinge bietet. Das Nachsehen werden Markenhersteller haben wie Henkel, Unilever, Nestlé oder Mondelez (Ex-Kraft). Der Trend zu Eigenmarken wird zunehmen, was Preise der Anbieter unter Druck setzt. Walmart war gefürchtet für seine Strategie, den Zulieferern fast keine Gewinnmarge zu lassen. Trotzdem müssen alle ihre Produkte auch an Walmart verkaufen, um auf genug Produktionsvolumen zu kommen.

Die Verbraucher werden in diesem Kampf die Gewinner sein. Einige US-Einzelhändler sollen bereits Preise in den Gegenden gesenkt haben, in denen Lidl eröffnet. Aldi hat die Amerikaner mit einem Quarter (25 Cent) dazu erzogen, den Einkaufswagen selbst zurückzubringen. Und seit Trader Joe’s Adventskalender ins Vorweihnachtssortiment aufnahm, erfreuen sich Amerikaner auch noch einer kulturellen Bereicherung.

Deutsche Supermarktketten in den USA:

 www.traderjoes.com

 www.aldi.us

 www.lidl.com