© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der Preis der Freiheit
Paul Rosen

Transparenz ist ein Modewort im Politikbetrieb. So wurden für Abgeordnete immer strengere Regeln zur Offenlegung ihrer  Nebentätigkeiten erlassen. Die sind nun aufgrund von zwei fast gleichzeitig veröffentlichten Untersuchungen wieder ins Gerede gekommen. Das Portal Abgeordnetenwatch.de schätzt, daß die Parlamentarier im Bundestag in dieser Legislaturperiode zwischen 26,5 und 48,7 Millionen eingenommen haben; die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall kommt auf 37,6 Millionen Euro. Allein an den auseinanderdriftenden Zahlen wird der Unsinn der Erhebung deutlich. Letztlich führt sie genau zum Gegenteil von Transparenz. 

So weist die Statistik den Regensburger CSU-Mann Philipp Graf von und zu Lerchenfeld mit Nebenverdiensten von 2,2 bis 3,2 Millionen Euro in dieser Legislaturperiode aus. Lerchenfeld ist Landwirt und Waldbesitzer. Josef Rief (CDU), mit 686.000 bis 1,18 Millionen Euro und 35 Nebenjobs auf Platz acht der Nebenverdienst-Liste, ließ sich in die Karten schauen: Anzugeben hat der Landwirt (genau wie Lerchenfeld) seine Umsätze aufgeschlüsselt auf die Vertragspartner. „Es ist grotesk, wenn mein Verwalter jemandem in einem Monat etwas über 1.000 Euro verkauft, und dies wohl als neuer Job angesehen wird.“ 

Als „Mrs. Nebenjob“ darf sich die SPD-Abgeordnete Sonja Steffen aus Stralsund fühlen. Sie hat laut Liste 91 Nebenjobs seit 2013. Die Stralsunderin klärt auf: „Das sind alles Mandate meiner Rechtsanwaltskanzlei“, die sich gerade so trage. 

 Rief weist auf einen Aspekt hin, der genauso für Steffen und andere gilt. „Ein Mandat ist zeitlich begrenzt. Sollte ich dem Bundestag irgendwann nicht mehr angehören, werde ich den Betrieb wieder selbst bewirtschaften.“  

An den Beispielen wird klar: Die Statistik wäre total unbrauchbar, wenn sie nicht noch etwas anderes offenbaren würde: Bis zu zwei Drittel der Abgeordneten sind völlig vom Politikbetrieb abhängig: In jungen Jahren bei JU oder Jusos gestartet, Politik, Soziologie, Kunst oder Journalistik studiert, was in den seltensten Fällen den Mann oder die Frau gut ernährt – es sei denn, man kommt an ein Abgeordnetenmandat. Die Hochstaplerin Petra Hinz (SPD) war das beste Beispiel für diese Verhältnisse. 

Von einem anderen Großverdiener, Peter Gauweiler (CSU), hätte niemand zu behaupten gewagt, der Münchner Rechtsanwalt sei von irgendjemandem abhängig. Gauweiler ruhte in sich selbst, hatte den Mut zur Kritik an der unverantwortlichen Euro-Rettungspolitik und ging, als er die Nase voll hatte. Sorgen um sein Einkommen mußte er sich nicht machen. 

Ähnliches galt für den früheren CSU-Landesgruppenchef Michael Glos oder ganz früher für den kürzlich verstorbenen Constantin Freiherr von Heereman (CDU), die als Multi-Funktionäre kritisiert wurden, aber in Wirklichkeit als gestandene Männer unabhängig von der Politik waren. Graf Lerchenfeld gehört ebenfalls zur Kategorie der wirklich Unabhängigen. Er fand es „irgendwie auch lustig“, vier Jahre lang als der „Reichste im Bundestag“ zu gelten.