© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Die Öffentlichkeit aufrütteln
Identitäre Bewegung: Trotz Gegenwind hat die Mission „Defend Europe“ eines erreicht – man spricht über sie /Aktivist Robert Timm gegenüber der JF: „Es ist nicht unser Ziel, uns Schlepperbooten in den Weg zu stellen“
Christian Junkaris

Empörung herrschte vergangenen Sonntag im kleinen osttunesischen Städtchen Zarzis. Mehrere Dutzend Männer hatten sich im Hafen der rund 70.000 Einwohner zählenden, nur einen Katzensprung von der Grenze zu Libyen entfernt liegenden Gemeinde versammelt, um vor Vertretern der Presse ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen. Ihre Forderung war deutlich: „No racists! – Keine Rassisten!“, so stand auf den Plakaten geschrieben, welche die Seemänner auf ihren Schiffen angebracht hatten. Vergangenen Sonntag fuhren sie jedoch nicht, wie üblich, zum Fischen auf die See. Stattdessen blockierten sie – mit Unterstützung eines starken Gewerkschaftsverbandes – den Hafen ihrer eigenen Stadt. Das alles, um einem einzelnen Schiff die Landung in Zarzis zu verwehren – der „C-Star“, einem gut vierzig Meter langen Frachter, der derzeit unter der Flagge Dschibutis das südliche Mittelmeer durchstreift.

Den Schlepperwahnsinn beim Namen nennen 

Es ist ein Boot, an dem sich nicht nur in Tunesien die Geister scheiden. Denn geheuert hatte die „C-Star“ gerade die „Identitäre Bewegung“, ein junges, oftmals dem politischen rechten Rand zugeschriebenes Aktionsbündnis, das von sich behauptet, „die am schnellsten wachsende Jugendbewegung Europas“ zu sein. Die Gruppe selbst machte in den vergangenen Jahren mehrfach durch islam- und einwanderungskritischen Aktionen von sich reden: mit Transparenten am Brandenburger Tor in Berlin beispielsweise oder auch am syrischen Busmahnmal auf dem Dresdner Neumarkt. 

Auch ihre neueste Aktion ist gezielt provokant: Mit der vor der libyschen Küste kreuzenden „C-Star“, so die Identitären, wolle die Mission „Defend Europe“  nicht nur „potentielle afrikanische Migranten von der gefahrvollen und oftmals tödlichen Überquerung des Mittelmeers in Richtung Europa abhalten“. Man wolle auch den anwesenden NGOs genauer auf die Finger schauen und deren Arbeit exemplarisch dokumentieren, erklärte Bootsaktivist Robert Timm gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Die Arbeit der NGOs aktiv behindern werde man nicht. „Wenn die Gefahr besteht, daß die NGOs nicht damit klarkommen, diese Leute zu retten, werden wir natürlich auch da unterstützend eingreifen und die Leute vor dem Ertrinken bewahren. Aber es ist nicht unser Ziel, uns Schlepperbooten in den Weg zu stellen“, so Timm weiter.

Ziel der Kampagne sei lediglich, die Öffentlichkeit auf den kriminellen Schlepperwahnsinn im Mittelmeer hinzuweisen, führen die Identitären aus. „Denn seit Monaten schleppen durch Spenden finanzierte NGOs unter dem Deckmantel humanitärer Rettungsaktionen Hunderttausende illegale Migranten nach Europa und schrecken auch nicht davor zurück, dafür mit kriminellen Menschenhändlern zusammenzuarbeiten.“

Vor allem aber, vermuten die Identitären, handele es sich bei der Zusammenarbeit zwischen Hilfsorganisationen und Menschenschmugglern nicht nur um traurige Einzelfälle, sondern um konzertierte Regel. „Damit sind diese Organisationen auch für das Ertrinken Tausender Afrikaner im Mittelmeer verantwortlich“, klagt das Bündnis die in den Gewässern vor der libyschen Küste aktiven Nichtregierungsorganisationen an, „da diese überhaupt erst aufgrund der Erwartung, bereits wenige Kilometer vor der afrikanischen Küste aufgesammelt zu werden, die gefährliche Überfahrt riskieren“.

Gut zwei Monate dauerten die Vorbereitungen für die Expedition der Identitären auf der „C-Star“. Ihre Mission, so das Aktionsbündnis, finanziere sich ausschließlich aus freiwilligen Beiträgen. Und diese flossen bislang reichlich: Über 200.000 Euro hat die Bewegung seitdem an Spenden über die Onlineplattform wesearchr.com gesammelt. Beinahe genug, schätzen die Organisatoren optimistisch, um Pacht und Heuer, Treibstoff und Verpflegung bis zum Ende der Reise finanzieren können. Doch jeder einzelne weitere Tag kostet die Crew circa 2.500 Euro – inklusive mutwilliger, kostspieliger Verzögerungen auf der Fahrt der „C-Star“ von Sri Lanka nach Libyen.

Tunesischer Widerstand überrascht die Identitären 

Allein im Suezkanal mußte das geheuerte Schiff eine Woche lang untätig im Hafen liegen. Antifa-Gruppen hatten gestreut, an Bord würden Waffen nach Libyen geschmuggelt. Ägyptische Beamte durchsuchten daraufhin den Frachter, ohne jedoch eine Spur des Verdachts erhärtet zu finden. Bei der anschließenden Landung im nordzyprischen Famagusta bestachen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen srilankische Besatzungsmitglieder, um, anstelle wie geplant nach Colombo zurückzufliegen, auf Zypern um Asyl zu ersuchen. Der Kapitän der „C-Star“ wurde daraufhin aufgrund des Vorwurfs des Menschenschmuggels in Haft genommen, kam jedoch rasch wieder frei.

Nicht so jedoch einige Besatzungsmitglieder. „Diese NGOs haben effektiv das Leben dieser Leute zerstört“, berichtet Timm, der sich mit an Bord der „C-Star“ befindet,  gegenüber der JF. „Denn sie befinden sich jetzt in Haft auf Zypern und werden dann wohl irgendwann in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden.“

Proteste begleiteten seitdem regelmäßig den Weg der „C-Star“ auf ihrer Odyssee durch das Mittelmeer. In der kleinen Stadt Ierapetra im Osten Kretas hatten sich Mitte vergangener Woche Dutzende Einwohner versammelt, um gegen eine mögliche Anlandung zu demonstrieren, als der Frachter in die Gewässer nahe der Küste einfuhr. „Dies ist ein Ort, der gezeigt hat, daß Faschismus hier nicht willkommen ist, und der den 700 Einwanderern, welchen wir mit Würde zu leben halfen, Solidarität und Gastfreundschaft zukommen ließ“, erklärte Bürgermeister Theodosios Kalantzakis Reportern gegenüber im Anschluß seine Entscheidung, den Hafen der Stadt für die „C-Star“ zu schließen. Auch im Hafen von Catania (Sizilien) ließen Pro-Migrantions-Aktivisten ihrem Protest („Geschlossen für Rassisten“) freien Lauf. Bürgermeister Enzo Bianco drohte damit, die „C-Star“ nicht einlaufen zu lassen. Sie drehte ab. 

Doch eine Hafenblockade, wie von den Fischern im osttunesischen Zarzis organisiert, dürfte selbst für die Aktionisten der Identitären Bewegung überraschend gekommen sein. „Es ist das Mindeste, was wir tun können angesichts dessen, was auf dem Mittelmeer geschieht“, rechtfertigte der Vorsitzende der lokalen Fischervereinigung, Chamseddine Bourassine, das harsche Vorgehen seiner Seemänner – auch angesichts der gewaltigen Zahl von bislang über 10.000 Ertrunkenen seit Beginn der Flüchtlingskrise im Jahre 2014. „Hier sterben Muslime und Afrikaner!“

Aus Zarzis vertrieben, kreuzte die „C-Star“ Mitte der Woche westlich von Tunesien auf den Wellen des Mittelmeers – auf der Suche nach Sprit und einem gastfreundlichen Hafen. 

http://defendeurope.net

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