© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Ein Land – zwei starke Männer
Libyen: Während der Westen plötzlich über die wahren Partner in dem Wüstenstaat streitet, festigt Moskau seine Position
Marc Zoellner

Daß die beiden Kontrahenten sich derart schnell handelseinig wurden, überraschte am Ende selbst den ägyptischen Gastgeber ein klein wenig: Natürlich werde man an einer friedlichen Beilegung des seit sechs Jahren schwelenden Konflikts in Libyen arbeiten, versicherten sich die Delegierten aus Tobruk und Misrata händeschüttelnd. Denn natürlich sei man an einer erneuten Eskalation – und womöglich gar dem Auslöser des dritten Bürgerkriegs binnen weniger Jahre – nicht interessiert. Sondern vielmehr am Aufbau demokratischer Institutionen, die einen friedlichen Machtwechsel auch nach den angestrebten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im März 2018 zuließen. Nach nur drei Tagen an Sondierungs- und Verhandlungsgesprächen in Kairo stand fest: In Libyen läuft alles nach Plan. Zumindest nach jenem Ägyptens.

Zwar bleibt der ölreiche Wüstenstaat an der nordafrikanischen Mittelmeerküste noch immer zerrissen – aufgeteilt zwischen zwei rivalisierenden Parlamenten, drei Regierungen, Dutzenden zum Teil radikalislamischen Milizen sowie den quasiautonomen Tuaregstämmen  im unwegsamen Südwesten. Doch auch in Kairo deutete sich an: Das fragile Machtgleichgewicht zwischen den Konfliktparteien kippt stetig aus dem Lot – nämlich zugunsten Generals Chalifa Haftars, dem Oberkommandierenden der Nationalen Libyschen Armee (LNA). 

Dessen Truppen halten derzeit nicht nur den Großteil der Küste zwischen Sirte und Tobruk. Sie gewinnen auch stetig an Boden und feiern militärisch bedeutende Siege. So wie zuletzt in Bengasi, das seit 2014 unter der Flagge der salafistischen Ansar al-Scharia, später auch unter jener des IS regiert wurde. Drei Jahre lang wurde die Stadt von der LNA belagert. Vergangenen Monat schließlich durfte Haftar triumphierend verkünden: Bengasi ist befreit, die Islamisten geschlagen. Und marschierte, just wider aller Erwarten, auf Derna zu – die letzte verbliebene Hochburg Ansar al-Scharias an der Grenze zu Ägypten.

Marschall Haftar setzt Tripolis unter Druck

Mit dem Fall Dernas wird Haftar nicht nur das Gros der libyschen Ölquellen kontrollieren, sondern sich ebenfalls als tatkräftiger Helfershelfer des ägyptischen Militärregimes erwiesen haben.

Denn in Kairo beäugt man die international anerkannte Regierung Westlibyens mit Mißtrauen. Schließlich sind in dieser nicht nur säkuläre, sondern auch islamistische Kräfte – beispielsweise jene aus Misrata – organisiert. Ja selbst Mitglieder der in Ägypten verbotenen Muslimbruderschaft, welche in Libyen ihr Exil gefunden haben. 

Haftar wiederum gilt als Hardliner im Umgang mit radikalislamischen Kräften. Anders als die von den Vereinten Nationen gestützte Tripolitaner Regierung, mit deren Präsidenten Fayiz as-Sarradsch der Truppenkommandeur Ende Juli auch in Paris Friedensgespräche führte, präferiert Haftar für erstere eine militärische Lösung. „Zum Beispiel für den Islamischen Staat und al-Qaida und ebenso Extremisten wie die Muslimbruderschaft“, erklärte der General kürzlich im Interview mit France24. „Das sind Feinde, daran gibt es keinen Zweifel, und mit denen gibt es auch keinen Dialog.“

In der libyschen Frage zeigt sich der Westen zunehmend gespalten: Noch immer setzt die italienische Regierung auf Tripolis als diplomatische Angelpunkt. Paris wiederum ist spätestens seit den Friedensgesprächen vom Juli Haftar zugeneigt. Washington hüllt sich dagegen in Schweigen. In die Lücke der internationalen Kooperation stößt neuerdings jedoch Rußland vor, traditionell enger Verbündeter Ägyptens. Bereits im vergangenen Sommer hatte die Moskauer Münzanstalt die Haftar-Regierung mit frisch geprägten Dinar versorgt. Mehrfach erhielt Haftar bereits Einladungen zu Gesprächen in Moskau – die er auch gern annahm. In Haftar sieht Rußland einen strategisch wichtigen Partner – nicht nur im Kampf gegen islamistische Terroristen.