© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Frisch gepresst

Kulturnation. Den 1937 geborenen Berliner Schriftsteller und Publizisten Friedrich Dieckmann, Heinrich-Mann-Preisträger, hätte der zu griffigen Zuspitzungen neigende Pragmatiker Helmut Schmidt vermutlich als „Typus Weizsäcker“ charakterisiert, „nicht Fisch, nicht Fleisch“. Wie zur Bestätigung finden sich daher auch in Dieckmanns jüngstem Essay über „Kulturnation und Nationalkultur“ präzise Befunde neben leeren Allgemeinplätzen. Ein Schwanken, das vom fehlenden Mut zeugt, aus zutreffenden Diagnosen politisch unbequeme Schlüsse zu ziehen. Etwa aus der nicht ganz neuen Erkenntnis, die bildungsfeindliche 68er Generation – übrigens von Linksaußen bis zur Union, was Dieckmann unterschlägt – habe sich von der Nationalkultur losgesagt. Oder aus der zutreffenden Beschreibung, bereits nach 1980 hätten vor allem Zöglinge des westlichen Schulsystems an die Universität keine „Bildung im Sinn eines lernend erarbeiteten Fundus an Kenntnissen der deutschen wie der europäischen Kultur mehr mitgebracht“. So entstand jene deutsche „Ökumene der Desorientierung“, die den Aufstieg einer aufreizend „ungebildeten und kulturlosen Pechmarie“ (Michael Klonovsky) ins Kanzleramt ermöglichte. So gebar die Bildungskatastrophe die chronische Staatskrise, eine Konsequenz, die der geschmeidige Dieckmann aber lieber nicht thematisiert. (wm)

Friedrich Dieckmann: Kulturnation und Nationalkultur. Von alten und neuen Herausforderungen. Edition Europolis, Berlin 2016, broschiert, 87 Seiten, 19,90 Euro





Pirinçci. Seitdem der Schriftsteller Akif Pirinçci aus dem etablierten Literaturbetrieb wegen unerhörter Meinungen selektiert wurde und oft auch in den sozialen Medien wegen Lächerlichkeiten mundtot gemacht wird, sind seine literarischen „Stimmen aus dem Off“ vom Verlag Antaios für Fans seiner scharfzüngigen wie auch scharfsinnigen Beobachtungen praktisch unverzichtbar. Mit dem „Übergang“ bezeichnet der Deutschtürke jenen sich innerhalb weniger Generationen auf Kosten paralysierter, tumber Steuerzahler vollziehenden Prozeß, den manche als „Umvolkung“ bezeichnen. Auf den Pfaden von Sarrazins Thesen wandelnd, dekliniert er ebenso analytisch wie rotzig durch, warum dieser hochentwickelte Industriestaat in zwanzig Jahren durch die Massenmigration in die Sozialsysteme nicht mehr wiederzuerkennen sein wird. (bä)

Akif Pirinçci: Der Übergang. Bericht aus einem verlorenem Land.Verlag Antaios, Schnellroda 2017, broschiert, 224 Seiten, 14 Euro