© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Feuer und Flamme
Ultras in den Stadien: Deutscher Fußballbund lenkt ein / Kritik an Vorstoß zu „Pyros“
Ronald Berthold

Die Lage zwischen den Ultras aller Vereine und dem Deutschen Fußball-Bund hat sich zugespitzt. In der zweiten und ersten Liga sowie im DFB-Pokal taten sich die gegnerischen Lager in jedem Stadion zusammen und skandierten in Wechselgesängen „Scheiß DFB“ – für Millionen Fernsehzuschauer auch vernehmbar beim Bundesliga-Eröffnungsspiel Bayern München – Leverkusen. Zuvor hatte es Ausschreitungen beim Pokalspiel zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC gegeben, die die Parteien für sicherheitspolitischen Wahlkampf nutzen. 

Während die meisten Politiker „volle Härte“ fordern, zeigt der DFB Kompromißbereitschaft. Präsident Reinhard Grindel begnadigte das unter Bewährung spielende Rostock, so daß der Verein nicht sanktioniert wird. Zuvor hatte er bereits angekündigt, die als ungerecht empfundenen Kollektivstrafen abzuschaffen. „Bis auf weiteres“ wolle der Verband „keine Sanktionen wie die Verhängung von Blocksperren, Teilausschlüssen oder Geisterspielen mehr“, sagte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete.

Damit erwischte er seine eigene Partei auf dem falschen Fuß, die gerade begann, sich auf die Ultras einzuschießen. So hatte CDU-Innenexperte Stephan Harbarth dazu aufgerufen, „gemeinsam klare Kante zu zeigen“. Stadionverbote und Meldeauflagen müßten „konsequent ausgesprochen und durchgesetzt“ werden. Und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann verlangte, sich von den Ultras zu distanzieren, die „auch Bezüge in die extremistische Szene insgesamt“ hätten.

Insbesondere diese pauschale Kriminalisierung versucht Grindel zurückzunehmen. Nicht nur Blocksperren – auch daß ganzen Busladungen von Fans der Zutritt zum Stadion verwehrt wurde, weil in dem Fahrzeug wenige Gewalttäter saßen, hatte das Verhältnis zum DFB zerrüttet. Und dessen Präsident bekommt für sein Anliegen, „darauf zu verzichten, Strafen zu beantragen, die unmittelbare Wirkung auf Fans haben, deren Beteiligung an Verstößen gegen die Stadionordnung nicht nachgewiesen ist“, die Unterstützung von Experten. Denn nur ein geringer Teil der Ultras sei gewaltbereit oder extremistisch, sagen Fanforscher.

„Abenteuerlich und         unfaßbar leichtsinnig“

Das hält jedoch auch die SPD-Innenpolitikerin Eva Högl nicht davon ab, „dringend konsequente Einlaßkontrollen“ zu fordern, „um das Mitführen von Bengalos und Feuerwerkskörpern zu unterbinden“. Die gibt es allerdings bereits. Um das zu verhindern, müßten Zuschauer durch Sicherheitsschleusen wie an Flughäfen gehen oder sich gar einer Gesichtserkennung unterziehen, wie es Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) fordert.

Die Vorfälle aus Rostock dürften „nicht dazu führen, daß der Verein und die Fans unter Generalverdacht gestellt werden“, mahnte dagegen noch vor der Begnadigung durch den DFB der sportpolitische Sprecher der mecklenburg-vorpommerschen AfD-Fraktion, Thomas de Jesus Fernandes. Genau dies habe Innenminister Caffier mit seiner Forderung getan. Die Drohung von CSU-Politikern, Hansa Rostock solle zwangsweise absteigen, nannte er „besonders verwerflich“. Daß der bisher so strenge DFB dies ähnlich sieht, darf als große Kehrtwende gewertet werden. Die flächendeckenden, lagerübergreifenden Proteste zeigten Wirkung, wie Grindel einräumte.

Bis 2011 reichen die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen den Ultras und dem DFB zurück. Damals verhandelten beide über die Legalisierung von Pyrotechnik. Rechtliche Gutachten wurden in Auftrag gegeben, es sollte Pilotprojekte geben. Ein Kompromiß schien greifbar. Denn sogar die Bitte des Verbandes, solange auf das Abbrennen zu verzichten, wie die Gespräche liefen, hielten die Ultras weitgehend ein. Doch dann brachen die Verbandsvertreter völlig unerwartet die Verhandlungen ab.

In diesem Zusammenhang sind die Aussagen von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zu sehen, er könne sich eine Lockerung des generellen Verbotes vorstellen. Er hatte der Sport-Bild gesagt: „Wenn einige Ultra-Gruppen ganz viel Wert darauf legen, Pyrotechnik zu zünden, kann man sich darüber unterhalten, dafür bestimmte Bereiche im Stadion zu schaffen – aber nur, wenn sich dann auch daran gehalten wird.“ Genauso weit war der DFB vor sechs Jahren ebenfalls, bis er den Ultras die Tür vor der Nase zuschlug.

Nun möchte der DFB-Präsident den abgerissenen Faden wieder aufnehmen. Grindel bekräftigte, alle Ultra-Vertreter einzuladen, sich mit dem DFB „an einen Tisch zu setzen“. Begründung: „Wir müssen im Dialog Vertrauen aufbauen, Mißverständnisse ausräumen und gemeinsam klare Linien und Grenzen festlegen.“

Ob dann auch erneut über Pyrotechnik diskutiert werde, wollte Grindel nicht ausschließen. Pistorius hatte für seinen Vorstoß viel Prügel einstecken müssen. Lediglich Hannover-96-Manager Horst Heldt begrüßte den Beitrag als „mutig“ und „richtig“. Für „abenteuerlich und unfaßbar leichtsinnig“ hält dagegen der Vorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, diese Überlegungen. Pistorius sende das „fatale Signal“ aus, daß durch den richtigen Umgang diese bis zu 1.000 Grad heißen Fackeln ungefährlich würden.