© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Preiserhöhung und US-Exportföderung durch die Hintertür?
Gas gegen Whiskey
Thomas Kirchner

Mit Erdgaspipelines kennen sich die Amerikaner aus. Eine halbe Million Kilometer umfaßt das US-Netz. Ihr Autobahnnetz (Interstates) erreicht bislang keine 80.000 Kilometer. Investitionen in das Gasnetz von 55 Milliarden Dollar sind für die nächsten Jahre geplant. Mit gerade einmal 1.220 Kilometer Länge und Kosten von 9,5 Milliarden Euro ist die geplante Ostseegasleitung Nord Stream 2 eher mickrig. Trotzdem steht sie im Mittelpunkt eines sich anbahnenden Wirtschaftskriegs.

Die neuen US-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise gegen Rußland werden besonders Zulieferer von Nord Stream treffen. Offen geben die Gesetzesinitiatoren zu, den Export von US-Erdgas fördern zu wollen. Wie das praktisch funktionieren soll, ist unklar, denn eine Infrastruktur für den transatlantischen Flüssiggashandel gibt es bisher nicht. Und dieses Gas wäre dann viel teurer als die Direktimporte aus Rußland oder das Flüssiggas aus Katar – und auch teurer als in den USA selbst. Vermutlich ist es nur die fadenscheinige Begründung neokonservativer Falken, die in Verbindung mit den US-Demokraten die angebliche Einmischung Moskaus in den Präsidentschaftswahlkampf bestrafen wollen und so skeptische Abgeordnete umstimmen konnten.

Donald Trump selbst kritisierte die Sanktionen, weil sie seinem Ziel einer Entspannung mit Rußland zuwiderlaufen. Ihm blieb aber nichts anderes als die Unterschrift übrig, weil er nach fast Einstimmigkeit in Senat und Repräsentantenhaus kein Veto einlegen darf. Seine Kritik sowie das Unterzeichnen fanden hinter geschlossenen Türen statt. Die fehlenden Fernsehkameras sollten wohl Moskau signalisieren, daß Trump weiterhin auf Entspannung setzt.

Rußlands Gegenschlag hielt sich in Grenzen: Die US-Diplomaten im Land werden um 755 reduziert, zwei Botschaftsliegenschaften wurden beschlagnahmt. In der EU lehnen Polen und die drei baltischen Staaten Nord Stream 2 ab – das torpediert die von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ankündigten Gegenreaktionen. Angeblich stünden US-Whiskeyexporte zur Disposition. Das wäre kontraproduktiv, denn viele Whiskeymarken gehören europäischen Firmen wie Diageo, Pernod Ricard oder Campari, andere wie Jim Beam Suntory aus Japan.

„Wir stehen vollumfassend hinter diesem Projekt“, versicherte Rainer Seele, Chef der österreichischen OMV, die Nord Stream 2 zusammen mit Engie, Shell, Uniper und Wintershall vorantreibt – im Zweifel auch ohne US-Technik. Die Risiken für EU-Unternehmen, sanktionsbedingt bestraft zu werden, sind nicht zu unterschätzen. Der US-Kongreß hat Vorschriften in das Gesetz eingebaut, die es Trump verbieten, Ausnahmen zu machen. Sollte es trotzdem zu Sonderabsprachen kommen, werden amerikanische Staatsanwälte Schlupflöcher finden, durch die sie europäischen Konzernen trotzdem Milliardenstrafen auferlegen können.