© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Diese Kolumne habe ich nüchtern geschrieben. Nicht, daß es je anders wäre. Aber mit diesem trockenen Bekenntnis hier einzusteigen war einfach zu verlockend, nachdem ich am Wochenende die zum Teil recht alkoholgeschwängerte Korrespondenz Charles Bukowskis mit Weggefährten gelesen habe. Der 1994 verstorbene Autor zählt zu dem Kreis meiner literarischen Lebensbegleiter (Streifzüge vom 5. September 2014). Die Sammlung ist soeben bei Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel „Über das Schreiben“ erschienen. Sie enthält Briefe aus den Jahren 1945/46 bis 1993 an Zeitschriftenherausgeber, Redaktionen, Lektoren und Übersetzer, Dichter und Schriftsteller, darunter William S. Burroughs und Henry Miller.

Zustimmung I: „Gute Kunst ist nur dann intelligent, wenn sie dich durchrüttelt, andernfalls ist sie Humbug“ (Charles Bukowski, 1961).

Faszinierend an der Bukowski-Lektüre ist weniger der substantielle Gehalt seiner Briefe; dazu fehlt es schon an editorischer Sorgfalt, wie sie ein ausgewiesener Wissenschaftsverlag bei der Erschließung von Korrespondenzen hätte walten lassen. Aufschlußreich aber ist Bukowskis Verständnis von Kunst im allgemeinen und Literatur im besonderen sowie zum Schaffensprozeß. „So viele Autoren schreiben, um als Autoren berühmt zu werden Sie schreiben nicht, weil sie sonst wahnsinnig würden. (…) Heute herrscht weitgehend Windstille und das schon seit Jahrzehnten, eine behäbige, behagliche Routine, als sei Langeweile der wahre Ausdruck von Genie. Und falls sich irgendwo ein neues Talent bemerkbar macht, dann ist es meist nur ein kurzes Aufblitzen, ein paar Gedichte, ein dünnes Bändchen, ehe er oder sie so glattgeschliffen sind, daß sie das stille Nichts mühelos in sich aufnimmt.“ Und an anderer Stelle: „Wenn alles gut läuft, dann liegt das nicht daran, daß du dir die Schreiberei ausgesucht hast, sondern umgekehrt, daß die Schreiberei dich gewählt hat. Es bedeutet, du bist besessen davon, es bedeutet, dir klingen die Ohren davon, du hast es in der Nase und unter den Fingernägeln. Es bedeutet, es gibt für dich keine Hoffnung außer im Schreiben.“

Zustimmung II: „Den literarischen Typ mochte ich noch nie, und das wird auch weiterhin so sein. Ich kann mit meinen Wirtsleuten saufen, auch mit Exknackis, Verrückten, Faschisten, Anarchisten, Dieben, aber geht mir weg mit Literaten. Gott, wie sie lästern und sich aufregen können, wenn sie dir nicht gerade einen vorheulen oder sonstwie auf den Sack gehen“ (Charles Bukowski, 1970).