© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Vom Amateurfilmer zum Werbestar
Soziale Medien: „Influencer“ haben zunehmenden Einfluß auf Heranwachsende / Unternehmen nutzen dies gezielt
Verena Rosenkranz

Ein selbsteingeteilter Arbeitstag fern des 9-bis-17-Uhr-Büroalltags – so zumindest scheint es für die hoch aktiv agierenden „Influencer“ zu sein. Der etwa um 2007 geprägte Begriff bezeichnet sogenannte „Beeinflusser“. Personen, die eine enorme Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken auf sich ziehen können und dadurch als Träger von offenen oder oft auch versteckten Werbebotschaften in Frage kommen.

Daß in der Heimwerkerserie auf Youtube zwar erklärt wird, wie man ein Türschloß wechselt, aber gleichzeitig auch bewußt auf das Werkzeug einer bestimmten Marke eingeschworen wird, bleibt den Nutzern meist verborgen. Ebenso erwarten die wenigsten Fans von ihren Instagram- oder Facebook-Ikonen, daß diese heimliche Werbeträger sind. Obwohl sie eine enorme Präsenz im virtuellen Raum erzielen – allein in Deutschland haben über 230.000 Personen mehr als 15.000 „Follower“ auf Instagram – nutzen die Influencer ihre Reichweite nicht für Botschaften von tatsächlich wichtigen Werten, sondern für das Preisen von nebensächlichen Konsumartikeln.

Die Werbebranche hat das Potential längst erkannt und eigene Abteilungen für „Influencer-Marketing“ geschaffen. Ob und wie moralisch verwerflich es ist, gutgläubige, an einem speziellen Thema Interessierte so zu beeinflussen, wird derzeit vor allem in Deutschland viel diskutiert. Youtube-Star Bianca Heinicke betreibt mit „Bibis Beauty Palace“ einen der erfolgreichsten Kanäle Deutschlands. Sie erreicht mit ihren Kurzsendungen Millionen von Heranwachsenden und verdiente nach Angaben des Manager Magazins im Vorjahr über 1,3 Millionen Euro. Hauptsächlich über gut bezahlte Werbeverträge für Schminkprodukte. Ähnlich machen es etliche Blogger und „Instagramer“. 

Je höher die Reichweite und je größer die Fangemeinde der Internetstars, um so besser eignen sie sich für Werbebotschaften. Die scheinbaren Hobbyblogger haben bei Firmen längst den gleichen Stellenwert wie prominente Fußballspieler, Sänger oder Schauspieler. 

Während Sportler allerdings ganz offen mit einem Werbeaufdruck auf dem Rücken herumlaufen oder Werbespots für verschiedene Produkte drehen, wird der gezielte Kaufanreiz bei Influencern unbewußt gestreut. Bei den vielgeklickten Amateurvideos, Instagram-Fotos oder scheinbar sinnbefreiten Alltagsberichten erwarten die wenigsten Empfänger einen Werbeexperten. Vielmehr gehen die Auto-, Schmink- und Sport­interessierten von einem ebenso wie sie interessierten Laien aus. Zu den Beeinflussern mit dem höchsten Stellenwert im deutschen Raum zählen neben „Bibis Beauty Palace“ etwa der Youtuber „Flying Uwe“ oder die Mode-Bloggerinnen Caroline Daur und Sofia Tsakiridou. In der Kategorie „Nachrichten und Politik“ gilt SpiegelTV als Top-Influencer.

Ausgeklügelte Werbepsychologie oder sogar rechtswidrig? Zumindest die norddeutsche Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein hat zur Vorbeugung dieser (Schleich-)Werbung nun einen Maßnahmenkatalog erstellt. 30 der reichweitenstärksten Influencer kooperieren bereits und erklärten sich dazu bereit, einen Hinweis einzublenden, wenn es sich um eine Werbesendung handelt.