© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Knapp daneben
Ein Signal für Deutschland
Karl Heinzen

Wie idyllisch Vilsbiburg ist lassen bereits nüchterne statistische Daten erahnen. Die niederbayerische Gemeinde im Landkreis Landshut zählt gerade einmal 11.500 Einwohner, und diese verteilen sich auch noch auf sage und schreibe 152 Stadtteile. Einer von ihnen ist das erst 1978 eingemeindete Haarbach. Bei aller Beschaulichkeit des Landlebens müssen seine 650 Bewohner nicht auf Annehmlichkeiten der Zivilisation verzichten. Haarbach ist kartographisch erfaßt, und es gibt gleich mehrere Straßen, die hinein und auch wieder heraus führen. Die Elektrifizierung kann, jedenfalls solange die Energiewende nicht zum Tragen kommt, als gelungen gelten. Auf der Schloßstraße gibt es sogar ein Restaurant, das für jedermann fußläufig erreichbar ist. Und mehr noch: Man kann bei ihm sogar ein Pizzataxi rufen. Bestellungen müssen die Haarbacher allerdings über das Festnetz vornehmen. Ihre Handys können im Ort weder senden noch empfangen.

Anstatt sich über so manch ersparte Zeitverschwendung zu freuen, fühlen sich die Bürger diskriminiert.

Anstatt sich darüber zu freuen, daß das Funkloch ihnen die Zeitverschwendung manch nutzloser Kommunikation erspart, fühlen sich die Bürger jedoch diskriminiert. Die Telekom, auf die sich ihr Groll vor allem richtet, kann die Beschwerden aber nicht nachvollziehen. Der Theorie zufolge müßte in Haarbach eine Funkverbindung im 2G-Standard bestehen. Wenn sie nicht zustande kommt, scheint etwas mit der Praxis nicht zu stimmen. Die öffentliche Hand ist in der glücklichen Situation, sich für unzuständig erklären zu dürfen. Wenn die Provider eine Investition in den Ausbau des Funknetzes für unwirtschaftlich halten, können sie dazu nicht gezwungen werden. Staatliche Subventionen verbieten sich, da dies hieße, einen Anbieter zu begünstigen. Ausnahmsweise darf die Dauermeckerei der Bürger hier auf taube Ohren stoßen, ohne daß eine Retourkutsche an der Wahlurne droht. Dies tut unserer Demokratie gut. Die Politik hat den Menschen zu lange nach dem Mund geredet. Dadurch wurden sie in dem Glauben bestärkt, daß es keine Sachzwänge geben kann, an denen ihre immer maßloser werdenden Erwartungen scheitern. Haarbach ist ein Signal, daß es auch anders geht.