© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/17 / 01. September 2017

„Gewalt, um die Gewaltlosigkeit zu schützen“
USA: Seit dem Wahlsieg Donald Trumps mobilisiert die linksextreme Antifa zum Kampf gegen dessen Anhänger
Marc Zoellner

Zum Wahltag im vergangenen November glich Portland der Hölle: Mehrere zehntausend Menschen hatten sich an jenem Abend im Zentrum der IT-Metropole des nordwestlichen US-Bundesstaats Oregon versammelt, um gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zu demonstrieren. 

Doch was als friedlicher Protest geplant war, eskalierte in den Abendstunden in einem Gewaltszenario, welches die Vereinigten Staaten schon seit Jahrzehnten nicht mehr erleben mußten. Zeitweise bis zu viertausend schwarz vermummte Gestalten sprengten die Demonstration, warfen Molotowcocktails in Banken und Geschäfte, schlugen reihenweise Fensterscheiben ein, setzten Autos in Brand und lieferten sich Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften der Stadt. „Sie haben den Verkehr angehalten und auf Autos eingeschlagen“, erinnern sich Zeitzeugen später im National Public Radio (NPR), der Hörfunkanstalt der Vereinigten Staaten. „Sie sprangen auf den Autos herum und fragten jeden: Wen hast du gewählt?“

Schäden in Millionenhöhe durch Antifa-Gewaltexzeß 

Für Portland waren die Schäden der linksextremen Unruhen gleich in zweierlei Maße verheerend. Nicht nur, daß der durch den Gewaltexzeß angerichtete Sachschaden in Millionenhöhe anzusiedeln war. Die Metropole selbst geriet seitdem zum Sinnbild eines für US-amerikanische Verhältnisse gänzlich unbekannten Phänomens: einer gewaltbereiten, dem Anarchismus zugeneigten radikalen Bewegung, welche ihre historischen Wurzeln im Vorkriegsdeutschland und in Italien besitzt, doch seit dem Wahlsieg Donald Trumps auch in Übersee ihre Sympathisanten mobilisiert, um ihren Gegnern mit militanten Aktionen das Dasein zu erschweren: die Antifaschistische Aktion – oder wie sie sich selbst kürzelt: Antifa.

Wie viele Anhänger die Antifa in den USA mittlerweile besitzt, darüber herrschen nur Mutmaßungen. Die Vereinigung selbst hält Stillschweigen über ihre Netzwerke. Sie ist im Großteil dezentral organisiert und in unzählige autonom agierende Zellen mit manchmal nur wenigen Dutzend Mitgliedern aufgeteilt. 

Die Kommunikation untereinander erfolgt entweder über aufgebaute Netzwerkstrukturen, über eigens betriebene Zeitungen und Fanzines, oder aber – und dies bevorzugt – auf anonymisierten Plattformen im Internet, so wie beispielsweise Facebook und Twitter. 

Gerade diese Art der Onlineforen haben sich in jüngster Zeit als eloquente Werkzeuge erwiesen, um die Masse ihrer Sympathisanten zu bevorstehenden Aktionen, zu Demonstrationen, Sitzblockaden und gewalttätigen Ausschreitungen zu mobilisieren. Mit letzteren bestimmten sie 2017 ihr Bild in der US-amerikanischen Presse – deren Journalisten mittlerweile selbst im Visier der Extremisten stehen.

„In den vergangenen Monaten haben diese Gruppen wiederholt friedliche Pro-Trump-Demonstrationen gestört“, warnte der Journalist Judson Phillips noch im Juni in der Washington Times. „Sie haben zur Gewalt aufgerufen und diese auch angewendet, gegen Menschen, die den Präsidenten unterstützen oder diesen Gruppen widersprechen. Selbst gegen Angehörige der Medien, die über Sachen berichteten, über welche die Antifa nicht berichtet haben möchte. Da ihre Gewaltbereitschaft noch ansteigt, ist es nur eine Frage, wann und nicht ob jemand ermordet wird.“

Wie Recht Phillips haben sollte, zeigte sich kaum zwei Monate später im kleinen Städtchen Charlottesville im Herzen des US-Bundesstaats Virginia. Über den geplanten Abriß einer Statue des Bürgerkriegsgenerals Robert E. Lee gerieten Mitte August Hunderte von Rechts- und Linksextremen aneinander. An dieser Festellung ändert auch der Mord an der 32jährigen juristischen Hilfskraft Heather Heyer nichts, die von dem Nationalisten James Fields getötet wurde, der gezielt mit einem Auto in die Gegendemonstranten fuhr.

 In der folgenden Diskussion ging es dann aber ausschließlich um gewaltbereite Neonazis, nicht um Antifa-Anhänger oder „Black Lives-Matter“-Rassisten. Gegen US-Präsident Donald Trump setzte noch ein Trommelfeuer der Kritik ein, nachdem er die Gewalt „von vielen Seiten“ brandmarkte, statt speziell die Rechtsextremen hervorzuheben (JF 34/17).

Auch anwesende Journalisten, welche über die Straßenschlachten von Charlottesville berichten wollten, gerieten gezielt ins Fadenkreuz militanter Linksextremer. Noch am gleichen Abend mußte ein von Antifa-Anhängern angegriffener Kameramann des Nachrichtensenders CBS Richmond aufgrund seiner schweren Kopfverletzungen im städtischen Krankenhaus notbehandelt und genäht werden.

Auch Journalisten werden nicht verschont

Für die US-amerikanische Antifa ein durchaus gerechtfertigtes Vorgehen: „No faces, no cases“, lautet eine Handlungsanweisung der Organisation. Grob übersetzt – wessen Gesicht nicht auf Film gebannt wird, der hat auch später keine Verurteilung von seiten des Staats zu befürchten. Tätliche Angriffe auf Journalisten und Fororeporter sowie die Zerstörung ihrer Kameras sind für die US-Antifa demzufolge durchaus legitimes Mittel im Ringen um die Hoheit auf den Straßen Amerikas.

Was prinzipiell für sämtliche Formen der Gewalt gilt, insbesondere jedoch für Gewalt gegen die extreme Rechte: „Die Leute beginnen zu begreifen, daß es Neonazis nicht interessiert, ob man ruhig oder friedlich ist“, rechtfertigt die 20jährige Antifa-Aktivistin Emily Rose Nauert die seit Februar dieses Jahres immer wieder sporadisch aufflammenden Unruhen in der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley. „Man benötigt Gewalt, um die Gewaltlosigkeit zu beschützen. Das ist derzeit sehr wichtig. Wahrscheinlich sogar ein regelrechter Krieg.“

Es ist ein Krieg mit drei deutlichen Epizentren innerhalb der US-amerikanischen Geographie: Neben Berkeley, wo militante Antifa-Anhänger unter dem Einsatz von Brandbeschleunigern, Schlagstöcken und Stichwaffen mehrfach Auftritte der konservativen Journalisten Milo Yiannopoulos und Ann Coulter verhindert hatten, gilt auch die Ostküstenmetropole Philadelphia als Hochburg der linksradikalen Bewegung. 

Dort wurde zuletzt eine 30köpfige Gruppe von Trump-Unterstützern am Rande einer Demonstration von militanten Linksextremen attackiert. Drei der Angreifer konnten mittlerweile festgenommen und vor den Haftrichter geführt werden.

Deutlicher Schwerpunkt bleibt jedoch weiterhin Portland in Oregon. Allein seit den Novemberunruhen von 2016 erlebte die Stadt drei weitere fatale Straßenschlachten mit horrenden Zerstörungskosten. Im Zuge der Eskalation der Maifeierlichkeiten warnte Portlands Polizei die Bevölkerung gar via Twitter: „Wenn ihr nicht unbedingt ins Zentrum von Portland kommen müßt, bleibt bitte weg. Der ‘MayDay’ wird von uns jetzt als Aufstand bewertet.“

Doch spätestens seit der versuchten Ermordung des republikanischen Abgeordneten Steve Scalise Mitte Juni dieses Jahres durch einen militanten Linken scheint die Stimmung in den Vereinigten Staaten erneut zu kippen: Hatten im Frühling bereits mehrere Berkeley-Professoren in einem offenen Brief den gewaltsamen Ausschluß konservativer Leitfiguren von ihrer Hochschule scharf kritisiert, warnen nun auch linke Koryphäen wie der Philosoph Noam Chomsky davor, die Antifa könne in ihrer latenten Gewaltbereitschaft nicht nur sich selbst, sondern die gesamte Linke des Landes ins gesellschaftliche Abseits manövrieren. „Diese Leute sind ein großes Geschenk an die Rechte, die vor Glück [über die Gewalttaten der Antifa] fast schon überschäumt.“ 

Ein Thema vor dem Kongreß wird sie ohnehin demnächst sein. In einer bindenden Petition an das Weiße Haus votierten seit Mitte August weit über 300.000 US-Bürger dafür, die Antifa in den Vereinigten Staaten zur terroristischen Organisation zu erklären. Wird der Antrag vom Kongreß angenommen, stünde die linksextreme Bewegung juristisch auf einer Stufe mit der Terrorgruppe Islamischer Staat.