© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/17 / 01. September 2017

Erster VW-Manager wegen des US-Diesel-Skandals verurteilt
Aussichtsloser Abwehrkampf
Thomas Fasbender

Es hätte so schön sein können. Der VW-Siegeszug, der 1945 mit der Serienproduktion des Käfers begann, wurde vorige Woche vom 150millionsten Nachkriegsauto gekrönt, einem 37.000 Euro teuren, aber politisch-korrekten Golf-Benziner, der auf dem Prüfstand 45 bis 50 Kilometer elektrisch fährt. „Die tatsächliche Reichweite weiche aber „in Abhängigkeit von Fahrstil, Geschwindigkeit, Einsatz von Komfort-/Nebenverbrauchern, Außentemperatur, Anzahl Mitfahrer/Zuladung und Topographie ab“. Betriebsratschef Bernd Osterloh war dennoch voll des Lobes: „Über Generationen hinweg haben die Kolleginnen und Kollegen Großartiges geleistet.“

Auf ihre Weise großartig, nur leider kriminell, war auch die Software, mit der VW die strengen US-Grenzwerte für Diesel-Pkw unterlief. Keine 24 Stunden nach dem Wolfsburger Festakt verurteilte US-Richter Sean Cox den VW-Ingenieur James Robert Liang zu 40 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 200.000 US-Dollar. Das Strafmaß lag deutlich über den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Der heute 63jährige, seit 1982 bei VW tätig, wurde 2012 Leiter des VW-„Diesel-Kompetenzteams“ im kalifornischen Pazifikstädtchen Oxnard. Wobei das Kompetenzteam nur aus ihm selbst bestand. Seine Mission: sicherstellen, daß die Abgasanlage der VW-Diesel den US-Normen entspricht. Wie auch immer.

Angesichts der drastischen Höchststrafen kooperierte Liang, der den US-Behörden als erster VW-Manager ins Netz gegangen war. Das Ergebnis waren sieben weitere Haftbefehle, darunter gegen den ehemaligen VW-Markenvorstand Heinz-Jakob Neußer und Liangs Vorgesetzter Oliver Schmidt. Letzterer wurde in Miami verhaftet; ihm drohen bis zu 159 Jahre Gefängnis (JF 4/17). Jüngst wurde bekannt, daß er sich auf ein „Plea Bargaining“, also das Aushandeln des Strafmaßes in Verbindung mit einem Geständnis, eingelassen hat. Ob er sich nach dem Liang-Urteil noch Hoffnungen auf richterliche Milde macht?

Daß die US-Justiz keinen Spaß versteht, weiß jeder. Um so unglaublicher die Fahrlässigkeit, mit der Schmidt in seinen Florida-Urlaub flog. Was steckt dahinter außer einer grenzenlosen Überschätzung der eigenen Unfehlbarkeit? Das Wolfsburger Produktionsjubiläum ist Balsam für nostalgische Seelen. Der Dieselskandal hingegen ist ein Menetekel; er steht für den aussichtslosen Abwehrkampf gegen eine Zukunft ohne Abgase und CO2-Ausstoß.

Ob es der Glaube an den Klimawandel ist oder, wie in China, nur der Wunsch nach sauberer Luft – langfristig habe der Verbrennungsmotor als Pkw-Antrieb ausgedient, prognostiziert der Londoner Economist. Nach der Bundestagswahl wird auch bei uns Klartext geredet, egal ob mit grüner Regierungsbeteiligung oder nicht. Wer sich allein an Diesel und Otto klammert, ob auf dem Umweg des Klimaskeptizismus oder als Softwaremanipulator, erweist dem Standort Deutschland einen Bärendienst.