© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/17 / 08. September 2017

„Die Liebe zum Eigenen“
Der Publizist Andreas Lombard und der Historiker Karlheinz Weißmann starten „Cato“, das konservative Magazin aus Berlin. Was will die Zeitschrift und welche Chancen hat sie? Chefredakteur Lombard über das neue Projekt
Moritz Schwarz

Herr Lombard, warum noch ein konservatives Magazin?

Andreas Lombard: Weil es den Bedarf gibt und zwar in einem Milieu, das nicht Mainstream ist und sich oft – wenn auch nicht zwingend – als konservativ versteht. Die Idee für eine neue Zeitschrift, wie wir sie jetzt mit Cato vorlegen, war dort schon länger virulent.

Eine entsprechende Marktanalyse gibt es aber nicht. Also ein Sprung ins Dunkle? 

Lombard: Nein, der Erfolg von eigentümlich frei, die Gründung von Tichys Einblick, aber auch die Entwicklung bei Tumult, um nur einige Zeitschriften zu nennen, zeigen den Bedarf klar an. 

Aber ist zwischen den Platzhirschen „Cicero“ und „Sezession“ noch Raum für Sie?

Lombard: Da habe ich keine Zweifel. Die Sezession hat eine spezielle, nationalrevolutionäre Ausrichtung. Das wäre mir zu eng; obgleich die Zeitschrift dies reichhaltig ausbuchstabiert. Cicero und auch Tichys Einblick dagegen sind sehr viel stärker tagespolitisch und aktuell gesellschaftlich orientiert. Bei uns geht es mehr um grundsätzliche Fragen. Es gibt noch einen Unterschied: Cato ist zugleich pessimistischer und optimistischer als jene beiden. Pessimistischer bezüglich der nächsten Jahre, denn wir glauben, gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch stehen uns in Deutschland und im Westen dramatische Probleme und Umbrüche bevor. Optimistischer, weil wir es begrüßen, daß sich viele der heute mächtigen Fiktionen bald von selbst erledigen werden.

Fiktionen?

Lombard: Ein politisches Magazin hat etwa unlängst gefragt, ob es nicht besser wäre, die Volksvertreter nach dem Losverfahren zu bestimmen. Das sind Fragen, mit denen wir uns nicht aufhalten. 

Die Idee klingt doch interessant. 

Lombard: Mag sein, aber wenn es das Personal für die Spitze einer Republik nicht mehr gibt, das etwa weiß, wozu Grenzen, Gesetze und Soldaten da sind, dann ist es auch egal, wie gewählt wird. Nach unserer Diagnose liegen die Ursachen der Probleme viel tiefer.

Zum Beispiel?

Lombard: Fast alle Bereiche des individuellen und gesellschaftlichen Lebens werden von einer modernistisch-industriellen Begrifflichkeit überformt. Bildung zum Beispiel verstehen viele heute materialistisch – als  etwas, das man buchstäblich über Kinder ausschüttet. Ähnlich erscheint die Sexualität als etwas, das man „haben“ kann.  Oder nehmen Sie eine Architektur, die nur noch industrielle Sterilität kennt. All das geht am Wesen des Menschen völlig vorbei. Echte Reformen bestehen daher nicht in punktuellen Verbesserungen, sondern in einer Art Umkehr. Umkehr zu menschengemäßen Formen unseres individuellen und kollektiven Daseins. Das betrifft übrigens auch die absurden Gleichheitsideen, die heute alles verzerren und schlichtweg nicht lebbar sind. Im Editorial habe ich geschrieben: „Wenn Ikarus ein Weiser ist, sieht unsere Zeit ihn gerne stürzen.“

Droht nicht im Gegenteil, daß „Cato“ beim Vorstoß zum Grundsätzlichen typischerweise im Allgemeinen steckenbleibt?

Lombard: Nein. Nehmen Sie als Beispiel die Familie. Sie ist für alle Gleichheitsideologen das rote Tuch schlechthin. Sie ist ein Ort, an dem man die produktive Ungleichheit konkret studieren kann – denn die Familie ist produktiv, weil sie ungleich ist: Mann und Frau und jung und alt, krank und gesund, arm und reich. Alle diese Spannungen werden von der Familie – Ausnahmen gibt es immer – besonders gut ausgehalten. Und obendrein reproduziert die Familie Ungleichheit auf natürliche Weise. Hier ist die Gleichheitsidee nur destruktiv. Oder nehmen Sie die Frage, inwieweit der islamistische Terror auch auf unser sittliches und religiöses Vakuum im Westen reagiert. Inwieweit traditionelle Kulturen unseren Relativismus der grenzenlosen Toleranz als Bedrohung von Glauben und Werten empfinden. Solche Fragen führen tiefer an die Wurzel und näher an mögliche Lösungen heran als die politisch korrekten Erklärungsmuster, die uns sonst vorgekaut werden. 

„Cato“ ist also nicht politisch, sondern metapolitisch? 

Lombard: Politisch und metapolitisch – wobei uns letzteres mehr interessiert. Cato ist aber auch kulturell ausgerichtet, und zwar im Sinne der Frage, wer wir eigentlich sind und wohin wir wollen. Gerade hier richten die Mainstream-Medien immer mehr Tabus auf, sparen aus, was nicht sein soll und nicht sein darf. Fremde Kulturen werden idealisiert, die eigene wird verdammt oder geleugnet. Das ist genauso aggressiv wie das Gegenteil. Abgesehen davon, daß alles verwirrt, weil ideologisch verzerrt wird. So ist unserer Gesellschaft, Kultur und Politik der Zugang zur Wirklichkeit des Menschen längst abhanden gekommen. Die Rückkehr zu solchen Wahrheiten ist es übrigens, auf die wir mit dem Untertitel „Magazin für neue Sachlichkeit“ zielen. Weg mit all den irreführenden Fiktionen, eine gewisse Konstruiertheit des Menschen verweise auf seine Konstruierbarkeit. Unsinn!

Auf Ihrem Titelbild ist die Kanzlerin abgebildet. Das suggeriert doch, es ginge um konkrete Regierungskritik. 

Lombard: Wir haben sie aber historisiert, als Caesar-Büste. Sie wird also in einen überzeitlichen Kontext gestellt. Außerdem ist es eine Anspielung auf Cato den Jüngeren, der ein entschlossener Gegner des Machtmenschen Caesar war. 

Warum eigentlich „Cato“? Fürchten Sie nicht den Vorwurf, sie kopierten „Cicero“ und wollten sich an dessen Erfolg hängen? 

Lombard: Nein, der Versuch, etwas zu kopieren, wäre ja sowieso zum Scheitern verurteilt. Cato war in Europa jahrhundertelang ein Sinnbild der Integrität und des Stolzes auf die Tradition, aus der Staat und Volk leben. Daran  wollen wir anknüpfen. Auch wenn diese Haltung nicht immer den Erfolg auf ihrer Seite hat. Caesar schrieb bekanntlich über Cato den Jüngeren: „Die siegreiche Sache gefiel den Göttern, die besiegte aber dem Cato.“ Nun streben wir sicher nicht Catos Schicksal an, der für seine Überzeugung in den Tod ging, aber seine Geradlinigkeit ist dennoch schätzenswert.

Wäre ein moderner Name nicht besser? Schließlich erwartet man doch Antworten auf Fragen der Gegenwart und Zukunft.

Lombard: Im Gegenteil, der historische Name paßt besonders gut, da wir unter dem Konservativen etwas verstehen, das immer gilt. So wie sich die klassizistische Architektur eines Léon Krier – den wir im ersten Heft in einem Interview vorstellen –, der Kategorisierung in alt oder modern entzieht. Zwar liegt ihr Ursprung Jahrtausende zurück, sie spricht aber die Menschen bis heute an. Wenn jedes Jahr Millionen nach Venedig reisen oder überhaupt in schöne, alte Städte, um deren Atmosphäre zu erleben, stellt sich für Krier die Frage: Warum? Und warum bauen wir nicht Städte wie Venedig? Warum statt dessen Trabantenstädte, Stahlbetonkolosse und selbstverliebte Solitäre exzentrischer Architekten, die alles, nur nicht menschengemäß sind?

Konservativ, das läßt die „wilde Schwermut“ Ernst Jüngers erahnen, die Melancholie der verlorenen Sache. Welche Gestimmtheit hat „Cato“?

Lombard: Gerade das finden Sie bei uns nicht. Das Gegenteil soll Cato ausstrahlen: Auf der einen Seite natürlich eine politische Prinzipienfestigkeit, auf der anderen Seite aber auch Daseinsfreude, die sich von politischen Gewitterwolken nicht unterkriegen läßt. 

Eben das geht oft nicht zusammen. Deprimierende politische Analysen veranlassen so manchen, seine Zeitungsabos zu kündigen und sich ins Private zurückzuziehen. 

Lombard: Genau auf diese Balance, weder aktionistisch zu werden noch zu kapitulieren, will Cato hinaus.

Sie nennen „Cato“ auch eine „Arche“. Klingt doch ziemlich nach Weltuntergang. 

Lombard: Auch da widerspreche ich, die Arche steht für Hoffnung, Zukunft, Leben. Konkret meinen wir damit jenen Teil des Heftes, der sich in einer Zeit der Verunsicherung auf das konzentriert, was trägt und gültig bleibt – woran man sich festhalten und aufrichten kann. Dazu gehört etwa die Rubrik „Was ist deutsch?“ Interessant ist doch, daß die meisten jungen Leute auch heute erstrebenswert finden, was zu allen Zeiten erstrebt wurde: Familie, einen Beruf, der Freude macht, und Sicherheit im Alltag. Wir aber leben in einer Zeit, die ihnen das ausreden will. Als ob etwa allein zu leben – oder sich selbst zu heiraten, was manche tun – das gleiche wäre wie ein Familienleben. Das ist einfach nicht wahr. Und es macht auch einen Unterschied, ob man mit zwanzig heiratet oder mit vierzig – einen Unterschied für das ganze Leben. Doch es wird so getan, als sei all das unerheblich.    

An Ihrer Seite steht der Publizist und Historiker Karlheinz Weißmann. Welche Rolle spielt er genau?  

Lombard: Er ist Mitbegründer von Cato im Umfeld der Berliner Bibliothek des Konservatismus, wo wir auch unsere Räume haben. Dr. Weißmann schöpft aus großem Wissen und reichhaltiger publizistischer Erfahrung. Sicher steht er stärker für das prononciert Politische an Cato, während ich vielleicht eher für das Kulturelle stehe. Wir ergänzen uns und bilden zusammen beide Seiten von Cato ab.  

Bislang waren Sie Verleger. Gibt es da eine Brücke zu „Cato“?               

Lombard: Ja, bereits mit dem von mir gegründeten Landt Verlag habe ich eine ähnliche Gratwanderung versucht wie jetzt mit Cato. Nämlich politische Fragen nicht nur politisch, sondern auch kulturell zu beantworten. Und auf diese Weise auch das überlebte Rechts-Links-Schema in Deutschland zu überwinden. Deutsche Identität auch positiv zu definieren, nicht nur im Schatten des Zweiten Weltkrieges und der bekannten Verbrechen.

Besonderen Wert legen Sie mit „Cato“ offenbar auf ein wertiges Erscheinungsbild. 

Lombard: Auch da eine Analogie zum Landt Verlag, in dem ich ästhetisch anspruchsvolle Sachbücher gemacht habe. Was es in dieser Form bis dahin kaum gab, insofern eine bestimmte Buchästhetik eher der Belletristik vorbehalten war. Für Cato haben wir uns etwa von FMR inspirieren lassen, einem hochwertigen italienischen Kunstmagazin, sowie von neuen englischsprachigen Magazinen. Cato ist ein reich bebildertes Heft, in dem sich das Politische mit dem Ästhetischen mischt. Eine klassisch-moderne Anmutung, die auch eine gewisse Liebe zum Eigenen stärken soll.    

Wo sehen Sie „Cato“ in einem Jahr?

Lombard: Erstens auf einer breiten Abonnentenbasis. Zweitens – das ist zumindest unser Ziel – für seine Machart und Themenwahl anerkannt über alle politischen Lager hinweg. 







Andreas Lombard, war von 1996 bis 2007 Mitarbeiter der Berliner Zeitung, schrieb unter anderem für Deutschlandradio Kultur und gründete 2005 den Landt Verlag, der seit 2010 zur Manuscriptum Verlagsbuchhandlung gehört, die Lombard bis Frühjahr 2017 leitete. Als Publizist machte er mit Essays wie „Holocaust und deutsche Frage. Ein Volk will verschwinden“ und „Mein jüdisches Viertel, meine deutsche Angst“ auf sich aufmerksam. Geboren 1963 in Hamburg als Andreas Krause-Landt, trägt er den Familiennamen seines Vaters Pierre Lombard seit 2013.

Foto: Andreas Lombard und Karlheinz Weißmann (r.) bei der Pressekonferenz zur Vorstellung von Cato in der Berliner Bibliothek des Konservatismus: „Fragen nachspüren, die tiefer an die Wurzel und näher an Lösungen heranführen, als die politisch korrekten Erklärungsmuster, die uns sonst so vorgekaut werden.“ 

 

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