© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/17 / 15. September 2017

Mittelständische Wirtschaft unzufrieden mit der Großen Koalition
„Bargeld ist geprägte Freiheit“
Christian Vollradt

Leute mit Trillerpfeife, die ein rotes Schild hochhalten. Ein typisches Bild auf dem Pariser Platz in Berlin. Man ist in Hörweite des Reichstags, die Touristen sorgen für Publikum und das Brandenburger Tor für eine schöne Kulisse. Und doch ist etwas anders an diesem Freitagvormittag vergangener Woche. Unter den Demonstranten sind viele im Anzug. Kein Wunder, verschafft doch diesmal nicht Verdi, sondern der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) seinen Unmut Luft.

Damit ist auch klar, warum nicht der ganze Platz gefüllt ist. „Bekommen Sie mal einen mittelständischen Unternehmer auf eine Demo“, so einer der Teilnehmer, „die müssen sich nämlich um diese Zeit um ihren Betrieb kümmern.“ Das bedeutet nicht, daß weniger Unzufriedenheit herrscht: Die „rote Karte für die Große Koalition“ zeigte Mario Ohoven schon vorab Richtung Regierung. „Wir wollen nicht länger Melkkuh sein“, bekräftigt der rührige Mittelstandspräsident. In Sonntagsreden und vor Wahlen werde die Branche von der Politik gelobt; getan werde für den Mittelstand zuwenig: Kaum Investitionen in die Infrastruktur, keine Fortschritte beim Bürokratieabbau, stattdessen Aufzeichnungspflichten beim Mindestlohn. „Das mindert die Produktivität, denn der Unternehmer möchte sich in der Zeit lieber seinen Kunden widmen“, findet Ohoven.

Die Rente mit 63 entziehe dem Arbeitsmarkt Fachkräfte. „Mehr als die Hälfte der Unternehmer haben die Arbeit der Großen Koalition mit den Schulnoten ‘ausreichend’ oder ‘ungenügend’ bewertet“, so Ohoven. Nur vier Prozent wollten eine Fortsetzung von Schwarz-Rot, zwei Drittel sprächen sich für Schwarz-Gelb aus. Das spielt bei der Demo allerdings keine große Rolle. Da geht es um die Forderung nach Abschaffung von Erbschaftssteuer und Solidaritätszuschlag – um Scheine und Münzen „Bargeld ist geprägte Freiheit“, ruft Ohoven von der Bühne aus zu seinen Mitstreitern, und die skandieren „Bargeld bleibt!“ über den Pariser Platz.