© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/17 / 15. September 2017

Big Apple in Schwarz-Rot-Gold
Deutschamerikaner: Am 16. September findet in New York die 60. Steuben-Parade statt
Verena Rosenkranz

Helau! Alaaf! Sauerkraut! Ist ja doch irgendwie alles das gleiche, oder? Während sich Kölner und Düsseldorfer nach den ersten beiden Wörtern wahrscheinlich schon in die Haare kriegen würden, sieht man es ein paar tausend Kilometer weiter westlich eher gelassen. Wenn am 16. September in New York die Steuben-Parade zum 60. Mal stattfindet, wird in „Big Apple“ wieder alles deutsch: Lederhosen, Fischbrötchen, Maultaschen, Sauerkraut, Dirndl und Maßkrug. 

Das „German-American Steuben Parade Committee“ organisiert gemeinsam mit ausgewanderten Deutschamerikanern und ihren Nachkommen den jährlichen schwarzrotgoldenen Umzug der Superlative. Sie schaffen es, an jedem dritten September-Wochenende im Jahr, die Feinheiten der verschiedenen Heimatregionen in einen Topf zu werfen. Typisch amerikanisch, würde so manch Kritiker meinen. Doch die Gäste der Feierlichkeiten unterscheiden sich zumindest an diesem Tag von den anderen US-Bürgern und halten die Fahne ihrer Herkunft hoch.

Verbundenheit mit der alten und neuen Heimat

Eines haben sie gemeinsam: Sie sind Friedrich Wilhelm von Steuben gefolgt und über den großen Teich in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Der hochdekorierte Offizier der preußischen Armee und seit 1777 US-Offizier in den amerikanischen Unabhängigkeitskriegen ist seit 1957 Namensgeber der Parade entlang der Fifth Avenue. Und damit Symbol für die größte Einwanderergruppe im ganzen Land: den Deutschen. Allein 500.000 leben in New York. 

Unter den großen Überbegriff der „Deutschen“ fallen an diesem Tag übrigens auch die Österreicher und die Schweizer. Sie werden schon am Tag vor dem eigentlichen Festhöhepunkt extra begrüßt und zu einem edlen Abendessen eingeladen, bevor es am Samstag neben Funkemariechen, Marineoffizieren und Schützenkönigin durch Manhattan geht. 

Dann flanieren Zehntausende Deutschamerikaner in Dirndl und Lederhosen mit wehenden Fähnlein durch die Wolkenkratzerschluchten – begleitet von Blasmusikkapellen, Trachtenvereinen und vor allem viel Bier und Würsten. Am Steubentag gibt es beides zuhauf entlang des Central Parks bis hinauf zur 86. Straße, die bis in die 1970er Jahre sogar den Beinamen „Sauerkraut Boulevard“ trug. Zu den Sponsoren gehören nicht nur in Europa bekannte Unternehmen wie Hofbräu München, Erdinger oder Schlumberger. Der feierliche Ausklang des Wochenendes findet am Sonntag in diversen Kneipen und Gaststätten mitten im Zentrum statt, die versuchen, bei Weißwurst und Bier ein Gefühl von Oktoberfest aufleben zu lassen. 

Ganz zur Freude der Ehrenvorsitzenden, die jedes Jahr wechseln und Deutsche mit besonderen Beziehungen zu den Staaten sind. Zum 50. Jubiläum besuchte etwa Helmut Kohl das heitere Schauspiel. Daneben gibt es auch noch einen jährlich wechselnden „Grand Marshall“, einen Schutzpatron für das Fest. Persönlichkeiten wie der frühere US-Außenminister Henry Kissinger oder auch New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg – beide übrigens mit deutschen Wurzeln – hatten schon die Ehre oder vielmehr das Vergnügen. 1999 hatte der heutige US-Präsident Donald Trump sogar die Position des Großmarschalls für die Veranstaltung inne. Schmunzelnd und begeistert verriet er damals den Medien: „Die Steuben-Parade ist die einzige Parade New Yorks, bei der die Straßen anschließend sauberer sind als vorher.“

Aber nicht nur für Sauberkeit und Pünktlichkeit sind wir Deutschen und unsere „Verwandten“ in Übersee bekannt. Auch und vor allem für unser Durchhaltevermögen beim Alkoholkonsum. Während Außenstehende sich noch über Schuhplattler zwischen den Bürokomplexen amüsieren, wundern sich Zuschauer einige hundert Meter weiter über einen spontan ins Leben gerufenen Frühschoppen. Biertische, Bänke und ein kleines Faß stehen am Straßenrand. Mit den Worten „O’zapft is“ versuchen die Feierwütigen ihren Kollegen beim zeitgleich stattfindenden Münchner Oktoberfest ernsthafte Konkurrenz zu machen.

An diesem Tag lernt man von den Deutschen vor allem eins: daß sie ganz entgegen dem landläufigen Vorurteil sehr wohl locker und lebensfroh sind.