© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/17 / 22. September 2017

Deutsche Autokönige
Unternehmerfamilien: Ohne die Quandts gäbe es die BMW-Werke nicht mehr
Thomas Fasbender

Sie sind die Könige der sozialen Marktwirtschaft: die Familien mit großem Unternehmensbesitz. Porsche/Piëch (VW, Audi), Schwarz (Lidl/Kaufland), Albrecht (Aldi/Trader Joe’s), Haniel (160 Einzelfirmen mit vier Milliarden Umsatz) oder Schaeffler (Continental). Ganze vorne dabei sind die Quandts, deren Vermögen auf über 30 Milliarden Euro geschätzt wird. Während Namen wie Reimann (Reckitt Benckiser, Coty, Jacobs Douwe Egberts, Krispy Kreme Doughnuts) oder Rethmann (Remondis, Rhenus, Saria) kaum bekannt sind, können die BMW-Hauptaktionäre Quandt über ihre Prominenz nicht klagen.

Daß der drittgrößte deutsche Autohersteller noch bis 24. September in Halle 11 auf 10.500 Quadratmetern der Automesse IAA in Frankfurt am Main seinen neuen 6er Gran Turismo, den Verkaufsschlager (und das grüne Haßobjekt) X3 oder den elektrischen Verlustbringer i3 präsentieren kann, wäre ohne den unternehmerischen Mut und die Geduld der Quandts nicht möglich gewesen. Wie 1961 Borgward war BMW schon drei Jahre früher in Existenznot geraten. Ende 1959 war die Lage bei BMW so gut wie aussichtslos.

Vorstand und Aufsichtsrat plädierten für den Verkauf an Daimler-Benz. Die eigenständige Zukunft des Unternehmens rettete Herbert Quandt mit der Bereitschaft, bei einem Kapitalschnitt und anschließender Kapitalerhöhung alle nicht verkauften BMW-Aktien selbst zu übernehmen. In der Folge gelang ihm der Ausbau des Quandt-Anteils auf rund 60 Prozent.

Derweil saß der leidenschaftliche Ingenieur Harald Quandt, ein Onkel der gegenwärtigen Erbengeneration, in über 20 Vorständen und Aufsichtsräten. Der damalige Bild-Chef Peter Boenisch beschrieb ihn mit den Worten: „Er war in allem sehr fortschrittlich. Er hat nach dem Krieg viel eher als andere erkannt, daß wir in einem amerikanischen Zeitalter leben.“ Doch der Großindustrielle sollte den Aufstieg nicht mehr erleben. Vor 50 Jahren, am 22. September 1967, während eines Nachtflugs mit dem Firmenflieger, schellte er in Italien gegen einen Berg und kam 45jährig ums Leben.

Die erfolgreiche Basis des Familienvermögens

Als „lieblichen Jungen“ hatte sein Stiefvater Josef Goebbels ihn einst bezeichnet, „ganz blond und etwas frech“. Quandt war der Sohn von Johanna Magdalena Ritschel, in erster Ehe verheiratet mit dem Textilunternehmer Günther Quandt. 1931, zwei Jahre nach ihrer Scheidung, heiratete Magda ihren Chef Joseph Goebbels, damals NSDAP-Gauleiter von Groß-Berlin. Hochzeitsgast Adolf Hitler hatte diese Verbindung von Anfang an unterstützt: Die Ehe mit der Ex eines Großindustriellen war ein gesellschaftliches Placet für die in bürgerlichen Kreisen eher verpönten Nationalsozialisten.

Harald Quandt genoß dennoch keine Privilegien. Als Fallschirmjäger nahm er 1941 an der Luftlandeschlacht um Kreta teil. Als Offizier kämpfte an der Ostfront und in Italien, wo er 1944 schwer verwundet wurde und in britische Gefangenschaft kam. Nach dem Krieg war es zunächst sein älterer Halbbruder Herbert, der sich als erster unternehmerisch auszeichnete. Beide hatten 1954 ein Konglomerat aus Firmenbeteiligungen geerbt, neben Varta und den Industrie-Werken Karlsruhe zählten dazu auch Wintershall, BMW und Daimler-Benz.

Harald Quandts Tod 1967 bildete die Folie für den Aufstieg der Familie in die Gruppe der Superreichen. Nach dem tragischen Unglück wurde das Vermögen aufgeteilt: Herbert Quandt erhielt BMW und Varta, Harald Quandts fünf Töchter die Daimler-Aktien, die sie allerdings 1974 an Kuwait verkauften.

Inzwischen besteht die eigentliche Unternehmerfamilie noch aus zwei bekannten Gesichtern: Susanne Klatten und Stefan Quandt, Herberts jüngste Kinder. Ihnen gehören insgesamt rund 46,7 Prozent der BMW-Stammaktien. 2016 hat der Konzern 6,9 Milliarden Euro verdient. Ein Drittel davon wurde als Dividende ausgeschüttet, die Quandts erhielten so über eine Milliarde Euro. Vorstandschef Harald Krüger bekam 7,6 Millionen Euro, jeder Facharbeiter immerhin etwa 9.000 Euro zusätzlich.

„Das Geheimnis der Quandts besteht darin, daß die Familie es verstanden hat, ihr Geld über Jahrzehnte nicht nur zusammenzuhalten, sondern insgesamt zu mehren“, konstatierte die FAZ vor Jahren. Andere Beteiligungen der Quandt-Gesellschaft HQ Equita laufen offenbar nicht so gut wie Benziner und Diesel von BMW. Der Autozulieferer Isolite wurde dieses Jahr an Hitachi Chemical und der Wurstpellenhersteller Walsroder Casings an Viskase (USA) veräußert. Der Maschinenbauer Rovema und die Spezialdruckerei Kolbe-Coloco sollen angeblich auch veräußert werden.