© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/17 / 22. September 2017

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Bildungsbericht CVIII in loser Folge: Wenn man die Klagen über den Kenntnisstand deutscher Schüler von Unternehmern wie Personalentwicklern wie Leuten, die Bewerber für den öffentlichen Dienst prüfen, wie Professoren zusammennimmt, verliert die Digitalisierung der Arbeitswelt viel von ihrem Schrecken.

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Die Vorschläge von Jean-Claude Juncker zur „Reform“ der Europäischen Union sind nichts als eine Flucht nach vorn; bekanntermaßen ein Akt der Verzweiflung in fast aussichtsloser Lage.

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„Ja, Frankreich wird sich verändern, wie es sich stets verändert hat. Ja, die Franzosen muslimischer Kultur werden bleiben, nicht weggehen und niemals ausgewiesen werden. Ja, die Kulturen werden sich vermischen, wie sie sich immer vermischt haben seit der Antike auf dem Territorium, das man Frankreich nennt, übrigens hat das schon begonnen.“ Die Franzosen, die von alledem nichts wissen wollten, würden schon aufgrund der demographischen Entwicklung aussterben und durch solche ersetzt werden, die „viel offener sind, die die Globalisierung mit ihren wunderbaren Möglichkeiten, die sie bietet, nutzen werden und keine Angst haben. (…) Ja, es wird der Tag kommen, vor dem Ende dieses Jahrhunderts, daß ein Präsident der französischen Republik Mohammed oder Achmed oder Norredine heißt. Das ist wunderbar, weil das in historischer Perspektive (…) authentisch französisch ist.“ (Bruno Roger-Petit, Sprecher des französischen Präsidenten, in einem Fernsehinterview)

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Bär, Wisent, Mammut mit starken Konturen, in kräftigen Farben, das sind die Bilder, die wir alle vor Augen haben, wenn wir an die Höhlenmalereien der letzten Eiszeit denken. Die Fähigkeit unserer Vorfahren, Tiere so lebensvoll und plastisch darzustellen, beeindruckte seit je aber nicht nur die Laien, sondern auch die Wissenschaftler und lenkte von den Sgraffiti ab, die gleichfalls an den Wänden der Höhlen zu finden sind. Diesen „Kritzeleien“ hat sich mit neuer Aufmerksamkeit die kanadische Archäologin Genevieve von Petzinger zugewendet. Sie untersuchte 52 Höhlen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal mit Darstellungen, die zwischen 10.000 und 40.000 Jahre alt sind. Sie kam zu dem Ergebnis, daß es sich bei den abstrakten Figuren weder um Dekoration noch um Zufallserzeugnisse gehandelt haben kann. Ihre Analyse spreche vielmehr für einen Satz von nur zweiunddreißig Glyphen, denen feste Bedeutungen zugeordnet waren. Manche der geometrischen Figuren erinnern tatsächlich an Buchstaben oder an Bildschriftelemente der frühen Hochkulturen. Die Entstehung dieses Systems führt von Petzinger nicht auf eine „Paläolithische Revolution“ – eine Art kreativen Schub – des Homo sapiens in Europa zurück, sondern auf noch ältere Phasen der Entwicklung. Etwa zwei Drittel der Zeichen, meint sie, habe der Mensch aus Afrika mitgebracht. Vielleicht dienten sie ihm als eine Art Proto-Alphabet, um bestimmte Inhalte zu fixieren. Erstaunlich ist jedenfalls die Dauerhaftigkeit dieses Systems, das in seiner endgültigen Gestalt für etwa zwanzigtausend Jahre stabil geblieben ist.

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Der Stadtrat von Los Angeles hat beschlossen, daß es in Zukunft keinen „Columbus Day“ mehr geben werde. Man beging den Feiertag zur Erinnerung an die Entdeckung Amerikas. Jetzt soll er umgewidmet werden in einen „Tag der indigenen Völker“, da es unzumutbar sei, ein Ereignis zu zelebrieren, das einen Genozid ausgelöst habe.

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„Man muß die Menschenrechte in Frage stellen, wenn sie den Schutz unserer Bevölkerung verhindern.“ (Sylvi Listhaug, norwegische Ministerin für Einwanderung und Integration)

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Vierzigtausend Migranten sind für das Opferfest aus der Türkei in ihre syrische Heimat gereist. Die türkischen Behörden haben, um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, eine Netzseite eingerichtet, auf der man sich für die Rückkehr in die Türkei registrieren lassen kann, wo die meisten auf den Weiterzug nach Europa warten. Stichdatum ist der 15. Oktober.

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In der Kathedrale Unsere Liebe Frau von Afrika endete eine Prozession für die – elefantengestaltige – Hindugottheit Ganesha. Deren große, quietschbunte Figur war vorher durch die Straßen Ceutas, der spanischen Enklave in Nordafrika, getragen worden. Dann erreichte man die Kirche, wurde vom amtierenden Geistlichen freundlich begrüßt, der die Prozession segnete. Dann stand die Plastik vor dem Bild der Muttergottes, und ein Chor intonierte Marienlieder.

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Das Scheitern von Abschiebemaßnahmen ist kein spezifisch deutsches Problem. Der Figaro berichtet, daß drei Viertel der Asylbewerber ohne Aufenthaltstitel in Frankreich verbleiben. Der Innenminister Gérard Collomb wies außerdem darauf hin, daß 75 Prozent derjenigen, die in Paris um Asyl ersuchen, aus Deutschland kommen, wo ihre Anerkennungsverfahren gescheitert sind.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 6. Oktober in der JF-Ausgabe 41/17.