© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Nicht nur samstags gehört Papi mir
Familien: Mehr Rechte für getrennt lebende Väter
Paul Leonhard

Getrennt Erziehende sollen steuerlich entlastet werden. Ein Steuerabzugsbetrag von 550 Euro soll künftig für beide Elternteile gelten. Außerdem können doppelte Wohnkosten für das Kind und Fahrkosten pauschal abgegolten werden. Das sieht ein Konzept vor, mit dem Katarina Barley (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zum Ende ihrer kurzen Amtszeit die Alleinerziehenden überrascht hat.

Sie nehme es sehr ernst, daß sich die Mehrheit der getrennt lebenden Eltern nicht genügend vom Staat anerkannt fühle, sagte Barley nach einem ersten Zukunftsgespräch „Gemeinsam getrennt erziehen“ Mitte Juli. Im Mittelpunkt standen die Ergebnisse einer Befragung von 603 Müttern und Vätern mit Kindern aus früheren Partnerschaften durch das Institut für Demoskopie Allensbach. 

Danach wünschten sich 51 Prozent der Teilnehmer eine hälftige bzw. annähernd hälftige Aufteilung der Betreuung der Kinder. 15 Prozent erziehen bereits gemeinsam. Und unter diesen haben 93 Prozent gute bis sehr gute Erfahrungen mit dem von ihnen praktizierten Betreuungsmodell gemacht.

Deutlich wurde in der Studie, daß vor allem die Väter bessere rechtliche Bedingungen verlangen. 68 Prozent der befragten alleinerziehenden Väter forderten eine größere finanzielle Unterstützung, 

insbesondere eine stärkere steuerliche Berücksichtigung von Kosten, die Getrennterziehenden entstehen, und daß ihr Betreuungsanteil im Unterhaltsrecht Berücksichtigung findet.

Wenn eine Familie zerbreche, gelte der Elternteil als „alleinerziehend“, bei dem die Kinder gemeldet sind. „Wie heißt der andere Elternteil“, fragte der Spiegel Anfang September in einem Interview die Ministern spitzfindig. Diese räumte ein, sich nach ihrer Scheidung selbst als „Alleinerziehende“ betrachtet zu haben, obwohl ihre beiden Söhne die Hälfte der Zeit beim Vater verbracht hätten. Aber „wenn ich meine Kinder hatte, war ich ja auch allein mit ihnen“.

Allein ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende helfe je nach Einkommenshöhe wenig, so Barley. Plötzlich fehle ein Einkommen im Haushalt, müßten zwei Haushalte finanziert und „womöglich noch hohe Fahrtkosten gestemmt werden, wenn die Eltern weit voneinander entfernt wohnen“.

Betroffene beklagen, nicht berücksichtigt zu werden

Ausgaben, die künftig steuerlich berücksichtigt werden sollen. Die Steuererleichterungen für getrennt lebende Eltern, mehr Beratungsangebote für Familien und bessere Schulungen für Richter würden zu „Kosten im Millionen- nicht im Milliardenbereich“ führen, sagte Barley dem Spiegel: „Und es wäre gut investiertes Geld, denn wenn sich getrennte Väter stärker an der Erziehung beteiligen, entlastet das ja auch die Mütter. Davon haben alle etwas.“

Inzwischen spricht Barley von 270 bis 310 Millionen Euro. Und sie hat ein spezielles Angebot für Alleinerziehende in petto, bei denen der Ex-Partner keinen Kindesunterhalt zahlt. Der Unterhaltsvorschuß vom Amt soll künftig auch dann voll ausgezahlt werden, wenn der Vater die Kinder relativ oft betreut, berichtet die Süddeutsche Zeitung. So soll verhindert werden, daß eine stärkere Väterbeteiligung scheitert, nur weil sie die Mütter in Existenznot stürzt. Außerdem soll in Hartz-IV-Haushalten ein „Erziehungsmehrbedarf“ gezahlt werden.

Inzwischen hat es vergangene Woche ein zweites Zukunftsgespräch im Familienministerium gegeben, bei dem es speziell um die Unterstützung von Kindern und Eltern vor, während und nach einer Trennung oder Scheidung ging. Die „Perspektive der Kinder“ dürfe nie aus dem Blick geraten, mahnte Barley. Immerhin sind rund 200.000 Kinder jedes Jahr von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Die zentrale Frage müsse immer sein: „Wie geht es unserem Kind am besten?“

Offenbar wurden bei diesem Gespräch die Vertreter der Betroffenen außen vor gelassen. Zwar teilte das Familienministerium in einer Erklärung mit, daß neben Vertretern aus Fachverbänden der Kinder- und Jugendhilfe, der Jugendämter sowie Experten aus dem Bereich Familienrecht auch Vertreter der Väter- und Mütterverbände eingeladen waren, diese aber bestreiten das und kritisieren ihrerseits die „unausgewogene Besetzung“ dieser Runde.

Die zuständige Abteilung im Ministerium habe Barley düpiert, indem sie verhindert habe, daß Vertreter von Mütter- und Väterverbänden ihre Forderungen und Lösungsansätze präsentieren konnten, kritisiert Gerd Riedmeier, Sprecher der Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter. Statt die Betroffenen zu hören, habe die Ministerialbürokratie der „Streitbewirtschaftungsindustrie ein Podium zur Umsetzung ihrer Interessen geboten: gerichtsnahen Professoren und Organisationen, die von den bestehenden Eskalation-fördernden Strukturen im Umgang mit Nachtrennungsfamilien finanziell profitieren“.

Über die Bedürfnisse junger Familien, das gleichberechtigte Betreuen der Kinder nach einer Trennung, gleiche Rechte und Pflichten für Mütter und Väter oder neue Regelungen im Unterhaltsrecht müsse „endlich offen“ diskutiert werden, fordert Riedmeier. Wer auch immer in der nächsten Bundesregierung das Familienministerium übernehmen wird, werde nicht um eine Neuorganisation der Abteilungen herumkommen.