© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Eine geht noch, eine geht noch raus
AfD: Auf dem Zenit des Erfolgs verläßt Frauke Petry die Partei
Christian Vollradt / Felix krautkrämer

Rumms. Es war der Paukenschlag in der Wahlerfolg-Sinfonie der AfD. Und Frauke Pertry führte den Schlägel. Gerade hatten am Montag die beiden Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland den Wahlerfolg der Partei gewürdigt und angekündigt, künftig „klare und konstruktive Oppositionsarbeit zu leisten“, da teilte die neben ihnen in der Bundespressekonferenz sitzende Parteivorsitzende am Ende ihrer Stellungnahme mit, sie habe sich „nach langem Ringen entschlossen“, der neu zu bildenden AfD-Fraktion nicht anzugehören. „Statt dessen werde ich als Einzelabgeordnete einer vernünftigen konservativen Politik Gesicht und Stimme verleihen.“ Der Dissenz lasse sich nicht totschweigen

Sprach’s und verließ den Saal. Ein Affront. Denn Politiker sind hier die Gäste der Journalisten. Vorstandsmitglied Tim Szent-Iványi rügte denn auch das Verhalten: „Frau Petry, Sie haben die Bühne der Bundespressekonferenz benutzt, nun müssen Sie sich auch den Fragen der Kollegen stellen.“ Vergebens. 

„Jetzt ist jemand obergärig geworden“

AfD-Co-Chef Jörg Meuthen kritisierte Petry und bat die Medienvertreter um Entschuldigung für ihr Verhalten. „Wir haben alle Ziele des Wahlkampfes erreicht.“ Es sei nicht hilfreich gewesen, wie Petry das Spitzenteam in Interviews attackiert hatte. Petry sei leider aus der Teamarbeit ausgeschert. Die angebliche inhaltliche Differenz sei stark konstruiert. „Wir sind nicht die Fundis.“ Alexander Gauland kommentierte lakonisch: „Wir sind ein gäriger Haufen. Jetzt ist jemand obergärig geworden.“

Tatsächlich waren die Parteigranden, die Petry buchstäblich sitzen ließ, weit weniger überrascht als so manch anderer im Saal. Denn schon Wochen zuvor hatte das Gerücht die Runde gemacht, die seit ihrer Abstimmungsniederlage auf dem Parteitag in Köln innerhalb des Bundesvorstands immer isoliertere Sächsin plane für den Tag nach der Wahl den großen Knall. Allerdings hatten weder Petry noch ihre innerparteilichen Widersacher ein Interesse daran, daß dies vor dem Urnengang ruchbar wird. Und noch am Abend des Wahlsonntags verwies eine strahlende Parteivorsitzende auf der AfD-Wahlparty in Berlin alle Trennungsgerüchte ins Reich der Legende, sobald sie von Journalisten darauf angesprochen wurde. Den Überraschungsmoment gegenüber der Öffentlichkeit hatte sie sich damit gesichert; und denen zumindest zeitweise die Show gestohlen, die sie für Fehlentwicklungen in der Partei verantwortlich macht.   

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT verteidigte die Politikerin den Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Entscheidung. Es sei richtig gewesen, mit dem Schritt bis nach der Wahl zu warten. „Für so etwas gibt es keinen richtigen Zeitpunkt. Ich hatte die Wahl, ob ich der AfD im Wahlkampf schade, oder ob ich mit dafür sorge, daß die AfD, in der es durchaus engagierte und vernünftige Mitglieder gibt, ein gutes Ergebnis erzielt. Ich habe für die Partei bis zum letzten Tag um Wählerstimmen gekämpft – und das gegen alle internen Widerstände.“ 

Keinesfalls werde sie in eine andere bestehende Partei eintreten. „Ich habe nicht mit der AfD eine neue Partei gegründet, um hinterher bei der CDU oder der FDP zu landen“, betonte Petry. Daß sie nun aus der Partei austreten werde, sei klar. Einen genauen Zeitpunkt, wann sie ihr Parteibuch abgeben werde, nannte Petry nicht. Auch ließ sie offen, ob sie eine neue Partei gründen wolle. Gleichzeitig gab sie aber ihren Rücktritt als Vorsitzende der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag bekannt. Mit ihr verlassen auch der sächsische AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer sowie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kirsten Muster, die Fraktion.

Die persönliche Schmerzgrenze sei für sie aber bereits schon länger erreicht gewesen, so Petry. „Ich sehe seit geraumer Zeit eine Radikalisierung in der AfD, die für unser Land nicht gut ist. Daher habe ich für mich nach dem Wahltag die Konsequenzen gezogen.“ Gerüchte besagten zuvor, insgesamt sechs weitere Landtagsabgeordnete wollten mit ihr die AfD-Fraktion in Dresden verlassen. 

In Parteikreisen wird indes vermutet, Petry habe ursprünglich eine größere Abspaltung geplant. Dies sei schon zu der Zeit der Fall gewesen, als die Partei in den Umfragen schlechter dastand. Doch die Gefolgschaft blieb aus. Nicht nur, aber wohl auch wegen des überragenden Wahlergebnisses. 

Außer in Dresden verließen nur in Schwerin vier Landtagsabgeordnete am Montag die AfD-Fraktion und gründeten die neue Fraktion „Bürger für Mecklenburg-Vorpommern“: Matthias Manthei, bisher Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, der Co-Landessprecher Bernhard Wildt sowie Christel Weißig und Ralf Borschke. Der in den Bundestag gewählte Landessprecher Leif-Erik Holm forderte Wildt zum Rücktritt vom Amt an der Spitze des Landesverbands auf. Er betonte allerdings auch: „Wir schlagen die Tür für Gespräche nicht zu.“ 

Am Dienstag kündigte dann Petrys Ehemann Marcus Pretzell an, er werde den Fraktionsvorsitz niederlegen, aus der Fraktion austreten und auch die Partei verlassen. Gleiches gelte für den stellvertretenden Fraktionschef Alexander Langguth, der wie er künftig als fraktionsloser Abgeordneter im Landtag sitzen werde. Pretzell kündigte zudem an, auch sein Mandat im Europaparlament zu behalten. Er wolle so verhindern, daß ein Abgeordneter für die AfD nachrücke, der eine politische Richtung vertrete, die er ablehne.

Bei der Konstituierung der neuen Bundestagsfraktion spielte „das Thema P&P keine Rolle“, berichteten Teilnehmer übereinstimmend der JF. Sie wählten das Spitzenteam Weidel und Gauland zur Fraktions-Doppelspitze.