© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alexander der relativ Große
Paul Rosen

Wie ein verletzter Löwe in den hintersten Winkel seines Reviers hat sich die CSU in die Berliner Vertretung des Freistaates Bayern in der Behrenstraße, zu Fuß eine Viertelstunde vom Reichstag entfernt, zurückgezogen. Bei Bier und Weißwurst konstituierte sich dort die neue Landesgruppe. Die Reihen haben sich aufgrund des desaströsen Abschneidens am Sonntag gelichtet: Zwar haben CSU-Kandidaten wie schon vor vier Jahren alle Wahlkreise in Bayern gewonnen; aber im Unterschied zu 2013 kam diesmal kein einziger Sitz von der Landesliste hinzu, so daß aus der mit 56 Abgeordneten größten Landesgruppe aller Zeiten wieder eine normalgroße CSU-Truppe mit 46 geworden ist. Daher verpaßte nicht nur Spitzenkandidat Joachim Herrmann, derzeit bayerischer Innenminister, den Einzug in den Bundestag, sondern etwa auch der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius. 

Schon kurz nach dem Wahlabend aufkommende Gerüchte, die CSU könne die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU nicht erneuern wollen, erwiesen sich als falsch. Eine siebte Fraktion wird es also nicht geben. Die sofort aufkommende Nervosität zeigt jedoch, wie blank die Nerven in der ganzen Union liegen. 

Aber auch stark geschrumpft könnte die Landesgruppe ein Pfund werden, mit dem die CSU wuchern kann, da in Bayern zunächst Selbstbeschäftigung mit den aus dem Wahlergebnis zu ziehenden Folgen angesagt ist. In Berlin hatte Parteichef Horst Seehofer, der bis heute keine Nachfolgeregelung in eigener Sache hinbekam, schon vor Monaten Verkehrsminister Alexander Dobrindt als neuen Vorsitzenden der Landesgruppe empfohlen, der auch gewählt wurde. Damit entfernt sich die CSU automatisch von der Kanzlerin, deren Nähe die bisherige Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt sehr schätzte – zu sehr, wie es vor allem in München hieß, wo man die Landesgruppe als ähnlich ohnmächtig empfand wie zu Zeiten von Theo Waigel oder Wolfgang Bötsch. 

Auch unter Hasselfeldt ließen CSU-Abgeordnete wenig eigenes Profil erkennen. Die rechte Flanke, deren Schließung Herrmann jetzt fordert, ließ die Truppe weitgehend außer acht. Lichtgestalten wie früher Fritz Zimmermann, Werner Dollinger oder Ignaz Kiechle gibt es nicht mehr. Als einer der letzten Konservativen verließ Peter Gauweiler den Bundestag schon 2015. Der bekannte Innenpolitiker Hans-Peter Uhl wird dem neuen Bundestag nicht mehr angehören. 

Dem neuen Vorsitzenden Dobrindt kann Nähe zu Merkel nicht nachgesagt werden. Jahrelang führte er mit der Kanzlerin („Mit mir wird es keine Maut geben“) einen Kleinkrieg – und gewann. Seine Position ist für den Fall einer Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen auch besser als die von Hasselfeldt in der Großen Koalition: Ohne die CSU hätte ein Jamaika-Bündnis keine Mehrheit, in der Großen Koalition wurde sie nicht gebraucht. Das ist andererseits eine Last: Wenn die Obergrenze als zentrale Forderung nicht durchsetzbar ist und die CSU den Koalitionsvertrag nicht unterschreibt, ist Jamaika vor ihrem Start geplatzt.