© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Dorn im Auge
Christian Dorn

What’s left?“ Englischsprachige Konversation ermöglicht auch nach der „parliamentary election“ einen diplomatischen Umgangston. So fragt mich der Kanadier im Vorderhaus, auf den Stufen seines Vintage-Ladens hockend, ob ich schon gewählt habe. Auf meine Antwort: „I made the right choice“ entgegnet dieser: „The left or the right?“ Darauf ich: „Oh, I did it all right.“

„Frauen gleich stellen“ – das Wahlplakat ist von unfreiwilliger Komik. So begegne ich meiner ehemaligen Nachbarin, einer politisch arrivierten Sozialdemokratin, an einem Wahlkampfstand, wo die Genossen zum letzten Gefecht angetreten sind. Wie überall geben sie auch hier das Bild eines Ladenüters. Die vorbeieilenden Leute sind bereits bedient. Also ist die populistische Gefahr gebannt: Schließlich ist niemand schamloser in seinem Populismus als der SPD-Kanzlerkandidat, der noch bis zur letzten Minute versuchte, die Kanzlerin „zu stellen“ – in einer unüberbietbaren Selbsterniedrigung, so als Schulz laut verkündete, Frau Merkel für eine zweite Diskussion jederzeit zur Verfügung zu stehen, zu Land, zu Wasser und in der Luft. Da spricht eine Stimme aus dem Off zu mir: „Merkel muß ... n’ Dreck / Widerstand hat keinen Zweck.“

Der Abstecher zum Wahlabend der AfD am Alexanderplatz läßt meinen Begleiter in der Vorfreude auf das Ergebnis und die erwartbare Hysterie ob der in den Bundestag einziehenden „Nazis“ sarkastisch werden: „Ein paar Fackelumzüge durchs Brandenburger Tor muß es schon geben, sonst gibt es ja für die ‘Tagesschau’ keine schönen Bilder.“ Tatsächlich fotografieren Antifa-Leute in denunziatorischer Absicht gnadenlos alle eintreffenden AfD-Gäste und schießen ein Bild nach dem anderen. Am späten Abend halluziniert indes ARD-Reporterin Böse, bei AfD-Parteitagen gern unter dem Motto „Mein Name ist Programm“ antretend, die AfD-Besucher provozierten, da diese vom Balkon herunter die Menge der Demonstranten fotografierten – in Wirklichkeit handelt es sich um einzelne atmosphärische Schnappschüsse mit Smartphones.

Finde am Wahlabend schließlich Asyl im Parteisitz der FDP, die sich weiter im Genschern übt. Ausgelassen tanzen die ewig jungen Liberalen zu dem Song „Blurred Lines“ von Pharrell Williams und der gurrenden Refrainzeile: „Good girl“ – während ich schon vor mir sehe, wie „Kohls Mädchen“ die Truppe um „Christiane“ und „Patrick“ Lindner, so die kalauernden Teenies, die FDP abermals über den Tisch ziehen wird.