© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Haltungsnote
Treue Erinnerung
Gil Barkei

Kolonialismus, „ganz dunkles Kapitel“, raunt es durch den Zeitgeist. Selbst die Kanzlerin sprach von einem Deutschland, das sich versündigt hätte. Ganze Stadtviertel wollen Straßen und Plätze umbennen. Nichts mehr soll an die weißen, männlichen, angeblichen Unmenschen in Übersee-Uniformen erinnern. 

Anders die Marinekameradschaft Tsingtau in Esslingen. Sie hält seit 1911 das Andenken an den einstigen deutschen Marinestützpunkt in Ostchina in Ehren. Jeden Dienstag treffen sich die 67 Mitglieder im Tsingtau-Keller im Stadtkern, um alte Seemannslieder zu singen. 

1914 im Ersten Weltkrieg hielten 6.000 deutsche Soldaten die Hafenstadt zwei Monate gegen eine Übermacht von 58.000 Briten und Japanern. Nach der Kriegsgefangenschaft kehrten einige ehemalige Kämpfer in ihre baden-württembergische Heimat zurück. Noch heute sind viele Mitglieder ehemalige Angehörige der Marine, der Binnenschifffahrt und der Hochseefischerei. 2014, zum hundersten Jahrestag der deutschen Kapitulation, reiste die Kameradschaft in das mittlerweile zu China gehörende Qingdao und enthüllte einen Gedenkstein.