© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Dieser Weg wird kein leichter sein
AfD: Widerstände bei Sitzordnung, Räumen und Posten
Christian Vollradt

Die wechselwarmen Gefühlsbäder des Wahl- und ersten Nachwahltages – der Triumph, als drittstärkste Kraft in den Bundestag zu ziehen, sowie der öffentlichkeitswirksame Abtritt Frauke Patrys – schien die AfD schnell hinter sich gelassen zu haben. Was die neuen Abgeordneten den zahlreich versammelten Medienvetretern bei ihrer Zusammenkunft im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus signalisieren wollten, war vor allem eins: professionelle Normalität; bloß nicht den Eindruck erwecken, man sei ein aufgescheuchter Hühnerhaufen, dem die Leithenne abhanden gekommen sei und in dem heftiges Flügelschlagen herrsche.

So ging etwa die Kür der vier gleichberechtigten Parlamentarischen Geschäftsführer (PGF), Bernd Baumann aus Hamburg, Jürgen Braun (Baden-Württemberg), Michael Espendiller (Nordrhein-Westfalen) und der Bayer Hans-Jörg Müller, relativ geräuschlos vonstatten. Durchgefallen war der von den Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland vorgeschlagene Markus Frohnmaier. Der Co-Vorsitzende des Parteinachwuchses Junge Alternative ist in den eigenen Reihen nicht unumstritten. Zum einen gilt er als politischer „Wackelkandidat“, da er erst dem rechten Flügel zugeordnet wurde, dann aber als Sprecher zu Frauke Petry gewechselt war (bis es auch mit ihr zum Bruch kam). Entscheidender war allerdings, daß Frohnmaier sein Studium noch nicht abgeschlossen und kaum Berufserfahrung hat. „Wir können uns doch nicht über Politiker der Altparteien lustig machen – nach dem Motto: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal – und dann selbst so jemanden in ein derart wichtiges Spitzenamt wählen“, begründete ein Abgeordneter die Entscheidung gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Und ein anderer ergänzte: „Wir sind da schon recht streng!“ 

Auf die PGFs kommt jetzt eine nicht ganz unwesentliche Aufgabe zu. Sie müssen die Interessen der Fraktion der Alternative für Deutschland im Deutschen Bundestag – so der offizielle Name – beim Ringen um gute Plätze im Plenarsaal und darüber hinaus wirksam vertreten. Die FDP beansprucht ein Rückkehrrecht auf die Stühle rechts der Union (vom Präsidium aus betrachtet). Da saß sie schon früher. Legt man die klassische politische Gesäßgeographie zugrunde – wie etwa während der Bundesversammlung –, dann müßten die Parlamentarier der AfD wiederum rechts von den FDP-Kollegen sitzen. Genau das wollen die gerade nicht. Außerdem säße die AfD dann in direkter Nachbarschaft zur Regierungsbank, nur getrennt durch einen Gang.

In der Mitte wollen sie gerade die Parteien links davon nicht haben. Erstens weil sie dann deren Nachbarn wären. Zweitens wegen der Symbolik. Schließlich können „Rechtspopulisten“ nicht Mitte sein. „Möglichst weit weg von uns, wenn ich einen Wunsch frei habe“, meinte die neue SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Kommt es zu keiner Einigung, könnte Alt-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Alleingang eine Entscheidung treffen. Dem neuen Bundestag bliebe indes unbenommen, diese dann nach seiner ersten Sitzung wieder über den Haufen zu werfen. 

Ähnlich kompliziert sieht es beim Thema Fraktionsebene aus. Keiner möchte „seinen“ Saal in einem der vier repräsentativen Türme des Reichstags mit der AfD gemeinsam nutzen. Die Überlegung, beide „Neulinge“ (AfD und FDP) auf einer anderen Etage unterzubringen, löst nicht gerade Begeisterung bei den Betreffenden aus. „Wir wurden als drittstärkste Kraft in den Bundestag gewählt. Einer der Türme steht uns zu“, heißt es selbstbewußt aus der AfD.

Aber noch ein dringendes Raumproblem gilt es zu lösen. Denn der Büroraum für 709 (statt bisher 631 Abgeordnete) ist knapp. Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang am vergangenen Donnerstag ein Bericht der Rheinischen Post, wonach die AfD-Abgeordneten und ihre Mitarbeiter im ehemaligen Bundesinnenministerium einziehen sollen. Das Gebäude in Alt-Moabit liegt jedoch außerhalb des Parlamentsviertels. Würden die Mitglieder der Fraktion per Klingel zur namentlichen Abstimmung gerufen, müßten sie erst vier Kilometer zum Plenarsaal zurücklegen. Nach Kenntnis der JF wurde der Bericht denn auch in der Bundestagsverwaltung als „Bullshit“ abgetan. 

Fraktionsübergreifender Widerstand formierte sich indes auch in einer Personalentscheidung der AfD. Sie hatte Albrecht Glaser für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten nominiert. Die Spitzen von SPD, FDP, den Grünen und der Linksfraktion haben angekündigt, Glaser ihre Stimme zu verweigern. Als Begründung führen sie an, Glaser stelle die Religionsfreiheit in Abrede. Sie verweisen auf eine Rede des 75jährigen, in der er den Entzug der Religionsfreiheit für Muslime gefordert habe. Im April hatte Glaser bei einem Vortrag gesagt: Da wo der Islam das Sagen habe, werde jede Art von Religionsfreiheit im Keim erstickt. „Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muß man das Grundrecht entziehen.“ Die AfD will nicht von ihrem Wahlvorschlag abrücken. „Selbstverständlich stehen wir hinter Herrn Glaser als Kandidaten“, so Fraktionschef Gauland.

Der ehemalige Frankfurter Stadtkämmerer ist Mitglied des Bundesvorstands. Dort wurde er zu den Verbündeten Frauke Petrys gezählt. Seine Nominierung soll wohl auch als doppeltes Signal in die Partei hinein gedeutet werden: Der (ehemalige) Petry-Flügel bleibt – und wird berücksichtigt.