© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Vertrieben
Gernot Facius

Der politische Herbststurm am 24. September hat manche vertraute personelle Konstellation hinweggefegt. Horst Seehofers Debakel bei der Bundestagswahl kostete auch Bernd Fabritius, Erika Steinbachs Nachfolger an der Spitze des Bundes der Vertriebenen (BdV), die Rückkehr in den Bundestag. Mit ihm verläßt der nordrhein-westfälische CDU-Abgeordnete Heinrich Zertik, ein Rußlanddeutscher, das Hohe Haus. Fabritius stand zwar hinter dem CSU-Spitzenkandidaten Joachim Herrmann auf dem zweiten Listenplatz, es schafften aber im weißblauen Freistaat mit einem hohen Anteil an Ost- und Sudetendeutschen nur Wahlkreisbewerber den Sprung ins Parlament – und dem BdV-Chef war eine Direktkandidatur versagt geblieben. Wiedergewählt, mit dem bayernweit zweitbesten Erststimmenergebnis, wurde dagegen der Fabritius-Vize Stephan Mayer (CSU). Der freute sich über seinen persönlichen Erfolg, räumte aber gleichzeitig ein: Mit Fabritius, Hartmut Koschyk (ebenfalls CSU), der nicht mehr angetreten ist, und dem in seinem sächsischen Wahlkreis an Frauke Petry gescheiterten Klaus Brähmig (CDU) fehlten dem neuen Bundestag einige der wichtigsten Anwälte einer auf die Zukunft ausgerichteten  Vertriebenenpolitik – ausgerechnet in dem Jahr, in dem der BdV seinen 60. Geburtstag  feierte. 

Unter den Neuen im Reichstag ist der ehemalige BdV-Vizepräsident Wilhelm von Gottberg (AfD), ein Ostpreuße.   Das Wahlergebnis, sagte der Siebenbürger Sachse Fabritius dem Münchner Merkur, sei „ein absoluter Kahlschlag“, insbesondere für die Vertretung der Vertriebenen im Bundestag. Er deutete an, daß er auch ohne Mandat in Berlin sein Präsidentenamt „mit voller Kraft“ fortführen werde. „Daß aus unserem Personenkreis so viele der AfD nachgelaufen sind, also einer populistischen Rattenfängerei, ist ein deutliches Signal dafür, daß wir nun kämpfen müssen.“  Mit „wir“ sind die Verbandsvertreter gemeint, die den eher sozialpolitischen Fabritius-Kurs unterstützen und eine moderate Position gegenüber den ehemaligen Vertreiberstaaten einnehmen. 

Im BdV tobt, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, seit längerem ein Richtungsstreit, bei dem der Präsident letztlich auf der Verliererseite stehen könnte.  Daraus macht der Jurist Fabritius kein Hehl. „Natürlich habe ich Bedenken“, gab er im besagten Zeitungsgespräch zu Protokoll, „daß sich andere Strömungen durchsetzen, wenn ich den proeuropäischen Kurs nicht halten kann.“ In einer offiziellen Stellungnahme versprach er, alles dafür zu geben, „den Verband in der Mitte der Gesellschaft und überparteilich im besten Sinne – nämlich auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zu verorten. 

Fabritius’ Vorgänger, Georg Baron Manteuffel-Szöge, Linus Kather, Hans Krüger, Wenzel Jaksch, Reinhold Rehs, Herbert Czaja, Fritz Wittmann und Erika Steinbach, waren Mandatsträger. Daß der aktuelle Amtsinhaber nicht mehr im Bundestag sitzt, ist offenbar der Erweiterung des Parteienspektrums geschuldet. Und für den Parlamentsneuling AfD hatte sich im Wahlkampf Erika Steinbach stark gemacht.