© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

War es die Angst vor der Geheimnisoffenbarung?
Auch nach 30 Jahren keine Aufklärung: 1987 verstarb der CDU-Politiker Uwe Barschel unter mysteriösen Umständen
Jürgen W. Schmidt

Der am 13. Juli 1944 nördlich von Berlin geborene Uwe Barschel wuchs als Halbwaise auf. Von Kindheit an streng konservativ gesinnt, engagierte er sich zielstrebig in der Jungen Union, später in der CDU. Ebenso zielstrebig studierte er und wurde mit 26 Jahren zum Dr. jur. und ein Jahr später 1971 zum Dr. phil. als Politloge promoviert. Ab 1971 saß Barschel im Kieler Landtag, war zwei Jahre später bereits CDU-Fraktionsvorsitzender, dann schleswig-holsteinischer Finanz- und Innenminister und wurde schließlich mit 38 Jahren zum bislang jüngsten Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gewählt. 

In dieser Funktion agierte Uwe Barschel ebenso zielsicher wie in seiner bisherigen Karriere. Er modernisierte die Verwaltung, betätigte sich in der Wirtschaftsförderung, und in seine Amtszeit fällt 1985 die Begründung des „Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“. Allerdings schien 1987 die Nominierung des populären Ex-Bundesbildungsministers Björn Engholm von der SPD die bislang problemlos erscheinende Wiederwahl Barschels zur Landtagsneuwahl zu gefährden. 

Eigentlich eine „Spiegel“- oder „Pfeiffer-Affäre“

Man ließ sich daher seitens der schleswig-holsteinischen CDU von der Bild-Zeitung den Journalisten Reiner Pfeiffer (1939–2015) empfehlen, der einerseits das Image des amtierenden Ministerpräsidenten aufpolieren und andererseits pressewirksam den gefährlichen Konkurrenten Engholm in die Bredouille bringen sollte. Dies unternahm Pfeiffer mittels einer ganzen Reihe von höchst anrüchigen Aktivitäten, offenbarte sich aber noch vor der Wahl der SPD, und der Spiegel berichtete derart öffentlichkeitswirksam über die sogenannte „Barschel“-Affäre, daß Uwe Barschel schließlich trotz seines Wahlsiegs am 14. September 1987 nichts anderes übrigblieb, als am 2. Oktober 1987 von seinem Amt zurückzutreten. 

Zum Rücktritt hatte maßgeblich der beginnende Druck aus der eigenen Partei beigetragen, als Barschel übereilt ein „Ehrenwort“ in eigener Sache abgab, das zu Teilen falsch zu sein schien. Erst mit gehörigem Zeitabstand kam man in der Bundesrepublik zu einer ruhigeren Betrachtung der sogenannten „Barschel-Affäre“, als nämlich bekannt wurde, daß auch die SPD bei den Fakten gemauert hatte, und Ministerpräsident Engholm, der bereits als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 1994 gehandelt wurde, im Mai 1993 zurücktreten mußte. 

Der FAZ-Journalist Frank Pergande schrieb 2007, daß man eigentlich mehr von einem Medien-Skandal, nämlich von einer Spiegel-Affäre oder aber von einer „Pfeiffer-Affäre“, weniger von einer „Barschel-Affäre“ sprechen müsse. Daß Barschel der Initiator aller Anti-Engholm-Aktionen gewesen war, wie Pfeiffer einst behauptete, schien nun doch fraglich geworden zu sein. Doch dieser allmähliche Meinungsumschwung konnte Uwe Barschel nicht mehr helfen. Neun Tage nach seinem aufsehenerregenden Rücktritt fanden ihn Stern-Journalisten gegen Mittag des 11. Oktober 1987 tot in der Badewanne eines Genfer Nobelhotels. Dem äußeren Anschein nach hatte Barschel Selbstmord begangen, indem er sich mit einer Überdosis Schlafmittel vergiftete. 

Einige diese Theorie störende Umstände am Tatort erklärte man mit dem listigen Versuch Barschels, seinen Selbstmord als vorgeblichen „Mord“ zu tarnen, um so sein Andenken vor der Geschichte zu schönen. Aufgrund der Veränderungen am Tatort durch die Stern-Journalisten, welche lieber Barschels Hinterlassenschaft durchsahen und hektisch fotografierten sowie der schlampigen Ermittlungsarbeit der Genfer Polizei schien die Selbstmordthese in den ersten Jahren nach 1987 durchaus gesichert. Man übersah dabei geflissentlich, wie der kämpferisch gesinnte Barschel in den Tagen nach dem Rücktritt alles unternahm, um seine Unschuld zu beweisen und dabei nicht davor zurückzuschrecken schien, ihm bekanntes Geheimwissen über deutsche Waffendeals als Druckmittel für seine Rehabilitierung zu nutzen. Der FAZ-Journalist Udo Ulfkotte, der seinerzeit noch guten Zugang zu internen Berichten beim BND hatte, deutete 1997 wie schon zuvor Werner Kalinka in seinem Sachbuch „Verschlußsache BND“ andere Hintergründe an: „Manche Geheimnisse müssen der Öffentlichkeit angeblich vorenthalten werden, weil ihr Bekanntwerden für viele Menschen schwerwiegende Folgen haben würde. Ein Beispiel dafür ist wohl der Tod des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel.“ 

Der gegen erhebliche Widerstände der eigenen Regierungsbehörden den Fall Barschel abschließend untersuchende Lübecker Oberstaatsanwalt Heinrich Wille kam in seinem Buch „Ein Mord, der keiner sein durfte“ (2011) zu der Erkenntnis, daß man die vielen seltsamen Tatumstände am besten durch das Auftreten eines professionellen Mörders erklären könne, der Barschel zuerst mittels K.O.-Tropfen außer Gefecht setzte, bevor er ihn in der Badewanne durch ein Schlafmittel in den Tod hinüberdämmern ließ. Der CDU ist jedenfalls ein konservativer Hoffnungsträger verlorengegangen, der auch in der Ära nach Kohl eine bedeutende Rolle hätte spielen können. Im Jahr 2000 wäre Barschel nämlich erst 56 Jahre alt gewesen.