© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Frisch gepresst

Middelhoff. In seiner Autobiographie „A115 – Der Sturz“ rechnet Thomas Middelhoff drei Jahre nach seiner Verurteilung ab – mit den Medien, mit seinen Managerkollegen und vor allem mit der Justiz. Letzterer wirft er teils „menschenverachtende“ Praktiken vor. Entsprechend bildet die kritische Betrachtung des deutschen Justizwesens auch den Schwerpunkt des Buches. Einen Beitrag zur Klärung der Schuldfrage bezüglich falsch abgerechneter Flüge kann dieses trotz langatmiger Erklärungsversuche hingegen nicht leisten. Auch wer eine ausführliche Selbstkritik von Middelhoff erwartet, wird enttäuscht. Sie kommt zwar vor – etwa dann, wenn „Big T“ sich selbst als „Narzißt“ bezeichnet –, tritt jedoch deutlich hinter der Justizkritik zurück. Diese wirft zwar berechtigte Fragen – etwa nach der Zweckmäßigkeit des geschlossenen Vollzugs mit Blick auf das Ziel der Resozialisierung – auf, wird bisweilen jedoch derart fundamental, daß sie sich selbst zu diskreditieren droht. Ein interessantes Buch, das wichtige Denkanstöße liefert, die allerdings nach einer angemessenen Einordnung durch den Leser verlangen. (ser)

Thomas Middelhoff: A115 – Der Sturz. Verlag Langen Müller, Stuttgart 2017, gebunden, 316 Seiten, Abbildungen, 24 Euro





Wüstungen. Im nördlichen Teil des früheren Ostpreußens sind unzählige Ortschaften nach der Vertreibung der Deutschen von den Russen nicht besiedelt worden und verfielen. Oft sind selbst die Steine von Ruinen und Wegen verschwunden, die russischen Anwohnern als Baumaterial dienten. Auch in den Ostprovinzen, die nach 1945 polnisch verwaltet wurden, sind manche Dörfer spurlos verschwunden. Anders als in Schlesien oder Pommern ist es im Sudetenland fast ein Massenphänomen, wo tschechischen Quellen zufolge etwa 2.400 ländliche Siedlungen untergegangen sind, da das tschechische Volk rein zahlenmäßig die ehemals von dreieinhalb Millionen Deutschen besiedelten Gebiete nicht auffüllen konnte. Der aus dem Egerland stammende emeritierte Kulturgeograph Wilfried Heller hat nun die Beiträge von 2016 einer deutsch-polnisch-tschechischen Tagung („Egerer Gespräche“) in Weiden herausgegeben, in der einige Beispiele dieser Nachkriegswüstungen und damit einhergehende Veränderungen einer Kulturlandschaft reich bebildert dargestellt werden. (bä)

Wilfried Heller (Hrsg:): Verschwundene Orte. Verlag Inspiration Un Limited, London/Berlin 2017, broschiert, 95 Seiten, Abbildungen, 9,80 Euro